Mindestsicherung von SPÖ und ÖVP beschlossen

Mindestsicherung wird beschlossen
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Nach jahrelanger Debatte ist die Mindestsicherung heute im Ministerrat beschlossen worden. Die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Sozialsysteme werden dadurch vereinheitlicht.

Die jahrelang diskutierte Mindestsicherung ist am Dienstag im Ministerrat beschlossen worden und soll mit 1. September in Kraft treten.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) betonte nach dem Ministerrat: Der heutige Beschluss zeige, dass die Regierung die Armutsbekämpfung nicht als Worthülse für Sonntagsreden verwende, sondern auch entsprechende Initiativen setze. Vorwürfe wonach die Mindestsicherung eine soziale Hängematte sei, wies der SPÖ-Chef profilaktisch zurück. Es gebe keine Wahl zwischen Mindestsicherung oder Arbeit, verwies Faymann auf die Regelung, wonach die Leistung nur dann bezogen werden kann, wenn auch die Bereitschaft zur Annahme einer Beschäftigung vorhanden ist.


Es sind allerdings noch eine ganze Reihe an politischen Beschlüssen und organisatorischen Vorarbeiten offen bevor die bedarfsorientierten Mindestsicherung tatsächlich kommt. Ziel der BMS ist es, einerseits die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Sozialhilfesysteme zu vereinheitlichen und anderseits Menschen in Notlagen mit einem Grundeinkommen abzusichern, damit diese ihren Lebensunterhalt (Nahrung, Bekleidung, Miete, Heizung, Strom, und so weiter) abdecken können und nicht ins Bodenlose fallen. Den Großteil der Kosten (rund 160 Millionen Euro) trägt der Bund, die Länder zahlen maximal 50 Millionen Euro.

Die Höhe der Mindestsicherung orientiert sich an der so genannten Ausgleichszulage (Mindestpension) und beträgt abzüglich der Krankenversicherungsbeiträge derzeit 744 Euro netto monatlich für Einzelpersonen und 1116 Euro für Paare. Bis zum dritten Kind kommen weitere 134 Euro (18 Prozent von 744 Euro) pro Kind dazu, ab dem vierten Kind sind es 15 Prozent. Die 744 Euro setzen sich zusammen aus einem Grundbetrag von 558 Euro (75 Prozent von 744 Euro) und einem Wohnkostenanteil von 186 (25 Prozent). Letzterer ist für die Miete gedacht und fällt bei einer Eigentumswohnung weg. Ein darüber hinaus gehender Wohnbedarf kann von den Ländern etwa in Form von zusätzlicher Wohnbeihilfe bedeckt werden.

DiePresse/HR

Migranten unterrepräsentiert

Von der Neuregelung profitieren werden etwa 270.000 Menschen, darunter 165.000 Sozialhilfebezieher, 90.000 Notstandshilfeempfänger und 15.000 Kinder von Ausgleichszulagebeziehern. Anspruch auf die Mindestsicherung haben alle Personen, die Lebensunterhalt, Wohnbedarf und Krankenversicherung nicht aus Eigenem finanzieren können und "die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind". Das sind neben Österreichern auch EU-Bürger (mit Ausnahmen bei den neuen Mitgliedstaaten), EWR-Bürger, wenn sie sich in Österreich als Arbeitnehmer befinden und Drittstaatsangehörige, wenn sie mehr als fünf Jahre in Österreich gelebt und gearbeitet haben. Behauptungen, wonach Ausländer besonders profitieren würden, weist das Sozialministerium entschieden zurück. Migranten seien unter den Sozialhilfebeziehern unterrepräsentiert.

Ein wesentlicher Vorteil der Mindestsicherung ist, dass bisher Nicht-Versicherte in die Krankenversicherung aufgenommen werden. Der Bezug der Mindestsicherung ist an Arbeitsbereitschaft geknüpft und sieht bei Arbeitsweigerung Leistungskürzungen und im Extremfall den Entfall des Leistungsanspruches vor. Ausnahmen gibt es nur bei Personen, die Kinder bis zum 3. Lebensjahr oder pflegebedürftige Angehörige betreuen.

Palais muss verkauft werden

Mit strengen Vermögensprüfungen und Rückzahlungsverpflichtungen soll Missbrauch vorgebeugt werden. So muss eigenes Vermögen (auch Erbschaften) bis zu einem Freibetrag von 3720 Euro (das Fünffache der Mindestsicherung) zuerst aufgebraucht werden, bevor die Unterstützung bezogen werden kann. Behalten dürfen die Bezieher unter anderem ihre Wohnung, sofern diese angemessen ist. Wer in einem Palais wohnt, wird dieses verkaufen müssen. Ein Auto darf man nur behalten, wenn man es berufs- oder behinderungsbedingt braucht. Eine Rückzahlung der Mindestsicherung durch die Bezieher, die überlegt wurde, ist nicht vorgesehen, weil das einen negativen Anreiz für die Rückkehr ins Arbeitsleben bedeuten würde. Bei längerem Bezug trägt sich allerdings die Behörde bei Wohnungseigentum ins Grundbuch ein und kann sich das Geld beim Verkauf oder später von Erben zurückholen.

Die Mindestsicherung ist als vorübergehende Hilfe - Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) spricht von einem "Sprungbrett" - gedacht, nicht als "Wahlmöglichkeit" zur Erwerbtätigkeit. Hundstorfer betont, dass schon bisher nur ein kleiner Teil, etwa 17.000, Sozialhilfe dauerhaft in Anspruch nehmen. Anträge können beim Arbeitsmarktservice eingebracht werden.

(APA)

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