Stilfigur: Der Verlust des freien Himmels

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Wo die Wolken nicht bedecken, da müssen wir es selbst tun. Der freie Himmel – zugezogen.

Die Sonne wird überschätzt. Auf Gemälden und Fotos schön und gut. Aber „unter freiem Himmel“, das ist ja kein begehrenswerter Zustand mehr. Das hat nur noch Sinn im Spätherbst. Oder zur blauen Stunde. Oder wenn er gar nicht mehr so frei ist, der Himmel, sondern eher bedeckt. Ansonsten: alles viel zu heiß. Ein leise geflüsterter Geheimtipp auf dem Immobilienmarkt: Holt euch nordseitige Wohnungen statt „sonnendurchflutete“. Denn wenn die Sonne hineinscheint, will man sie meistens eh nicht drin haben. Und wenn sie hineinscheinen soll, im Winter, scheint sie meist eh nicht hinein. Ab jetzt die Kompass-Strategie: auf Richtung Norden. Auch die Terrassen könnten sich dorthin orientieren. Weil das mit dem Teint, dem vermeintlich „guten“, das traut sich eh keiner mehr. Doch wo die Wolken nicht bedecken, da müssen wir es selbst tun. Der freie Himmel – zugezogen. Auch dann, wenn sich die Sonne längst verzogen hat. Die Schirme schirmen weiter. Schließlich hat man sie mühsam aufgespannt. Aber auch darunter wirds heiß. Nicht mehr ganz so leise Empfehlung: Blätterdach schlägt Sonnensegel. Und man muss es auch nicht einklappen, wenns regnet. Okay, die Installation braucht etwas länger, Jahre manchmal. Dafür ist man nach so einem Schanigarten-Nachmittag unter den Kastanien vielleicht so erfüllt wie meine Freundin, wenn sie vom Joggen im Schönbrunner Schlosspark zurückkommt: „Ich bin ganz voller Chlorophyll“. Oder waren’s doch die Endorphine? Von der Sonne?

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