EU-Skepsis für May-Plan

Michel Barnier
Michel BarnierAPA/AFP/JOHN THYS
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Die Europaminister der 27 Mitgliedstaaten halten nicht viel von den neuen Ideen aus London.

Brüssel. Zuerst ging ein kollektives Aufatmen durch Europas Staatskanzleien, als die britische Regierung vor zwei Wochen ihr Weißbuch zur Frage vorlegte, wie denn aus ihrer Sicht der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union sowie das künftige Verhältnis zwischen den beiden gestaltet werden solle. „Wir haben die Briten monatelang darum gebeten, uns etwas Detaillierteres vorzulegen“, fasste ein mit den Brexit-Verhandlungen befasster Diplomat die Reaktion diesseits des Ärmelkanals zusammen. „Jetzt haben wir etwas, auf Basis dessen wir arbeiten können – mehr nicht. Das sind nicht die Zehn Gebote.“

Am Freitag fand ein außerplanmäßig einberufenes Treffen der Europaminister der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten statt, um dieses Weißbuch zu besprechen. Quintessenz dessen: Es bleiben mehr Fragen als Antworten, die wesentlichen Streitpunkte sind 13 Wochen vor der Frist, bis zu der ein fertiges Austrittsabkommen stehen muss, weiterhin offen. Michel Barnier, der EU-Chefverhandler, fasste diese Skepsis nach dem Treffen in mehrere Fragen: „Das Vereinigte Königreich sagt, es sei bereit, sich den Warenstandards der Union anzupassen – aber nur den Standards, die an der Grenze kontrolliert werden? Würde es sich also an unsere Lebensmittelvorschriften, zum Beispiel betreffend Gentechnik oder Pestizide, halten? Diese werden nämlich nicht an der Grenze kontrolliert.“

Briten wollen Rosinen picken

Vor allem aber offenbart das Weißbuch, dass die britische Regierung weiterhin die Rosinen aus dem Kuchen des lukrativen Binnenmarktes picken möchte. So will sie für Dienstleistungen die Freiheit erhalten, vom gemeinsamen EU-britischen Kodex abzuweichen. Barnier erklärte das für inakzeptabel: „Wenn man weiß, dass 20 bis 40 Prozent des Wertes von Gütern, die wir täglich verwenden, mit Dienstleistungen verbunden sind: Wie soll man dann unfairen Wettbewerb gegen europäische Unternehmen verhindern?“ (go)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2018)

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