Colorado: Für den Winter gekommen, für den Sommer geblieben

Die Maroon Bells in der Nähe von Aspen, Colorado.
Die Maroon Bells in der Nähe von Aspen, Colorado.(c) Jeremy Swanson
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Sommerliche Gelassenheit in den Nobelskiorten Aspen und Snowmass – zwischen Gipfelyoga und Abenteuern im Lost Forest.

Aspen/Snowmass. Der Start im Morgengrauen wird also mit einem Farbenspiel belohnt. Die Sonne legt sich über die Felsen der Maroon Bells, verleiht den „Glocken“ ihr namensgebendes Kastanienbraun. Die Nebelschwaden der Nacht im Abschiedsmodus, das Rauschen eines Wildbachs in leichter Entfernung und die ganze Szenerie auch noch in einem Bergsee gespiegelt – der gebirgige US-Staat Colorado hat, so sagen es Touristiker, keine Felsformation, die öfter fotografiert wird als diese. Wir stehen in sicherer Entfernung im Maroon Creek, was nicht schaden kann, haben die beiden brüchigen Viertausender ihren Bezwingern doch schon manchen Tonstein entgegengeworfen. Nach einem kleinen Rundgang füllt sich das Ufer des Bergsees langsam mit Publikum, die ersten Busse mit Touristen treffen ein.

Dass wir vorher allein waren, brachte der Vorsprung durch die Taxifahrt mit sich, die in der Gruppe günstiger ist als die acht Dollar pro Kopf für den Bus hinauf. Und hinunter ist die Busfahrt dann gratis, Blick auf Füchse und Murmeltiere entlang des Maroon Creek inklusive. In sein Mikrofon jodelnd, singend und die Natur erklärend lenkt der Fahrer seinen Bus die knapp 15Kilometer zurück nach Aspen – in die 7000-Einwohner-Stadt auf 2400 Metern Seehöhe in den Rocky Mountains, die hartnäckig den Ruf des noblen Wintersportorts hält, im Sommer dann aber doch ihre gelassenen Seiten zeigt.

Durch Aspen flanieren
Durch Aspen flanieren(c) Elle Logan

Drei Jobs oder drei Häuser

Eine entspannte Abendstimmung legt sich über Aspens Fußgängerzone, an einer der Wände hat der Street-Art-Künstler Shepard Fairey erst kürzlich eine Auftragsarbeit angebracht, und jetzt im Sommer mischen sich die Teilnehmer der Aspen Music School in das Stadtbild, zeigen ihre Hochbegabtenfertigkeiten als Straßenmusiker. Auf einer Bank im Schatten lassen sich dazu Gedankenketten spinnen, bevor mit der immer tiefer stehenden Sonne die Gastgärten zum Aperitif rufen. Im Aspen Tap etwa kredenzen sie ein gutes Dutzend verschiedener Biersorten aus eigener Produktion. Duncan Clauss, Gründer und Präsident der Aspen Brewing Company, erzählt hier, wie aus seinen ersten Brauversuchen im Studentenzimmer die Idee einer eigenen Brauerei wurde. Dass im Bierstaat Colorado Aspen ein weißer Fleck war, kam dem begeisterten Skifahrer entgegen. Seine Blondes, Lager und Ales findet man heute vom Fass oder in kreativ bemalten Dosen nicht nur in den Bars der Gegend.

Der Mittdreißiger schwärmt vom Leben in Aspen, vor allem der Sommer hat es dem Bierfreund im schlaksigen Körper eines Ausdauersportlers, der für Trailrunning und Mountainbiken zu leben scheint, angetan: „Came for the winter, stayed for the summer.“ Wegen des Winters gekommen, wegen des Sommers geblieben – ein geflügelter Satz in Aspen. Dass die Mieten mit jenen seiner ursprünglichen Heimat New York längst mithalten, quittiert er mit einem Schmunzeln, während vor seiner Bar das junge, kreative Aspen zum wöchentlichen Tuesday Cruiseday, einer Radausfahrt im Stil einer Critical Mass, startet.

Die Woody Creek Tavern von innen.
Die Woody Creek Tavern von innen. (c) Splechtna

Die Immobilienpreise sind hier so ein Thema. Entweder man hat, so heißt es in Aspen, drei Häuser – oder man hat drei Jobs. „Ski Bums“, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit dem Aufschwung der früheren Bergbaustadt zum noblen Wintersportort gekommen sind, um ihre Skibegeisterung mit Nebenjobs im Tourismus zu finanzieren – zu arbeiten, um zu leben also, statt umgekehrt –, müssen Aspen nach und nach den Rücken kehren. Viele ziehen ins vierzig Autominuten entfernte Carbondale, das selbst gerade dabei ist, sich als Outdoordestination einen Namen zu machen. Und in Aspen treiben derweil die Betuchteren die Preise in die Höhe.

Die schmuckesten ihrer Villen stehen auf dem Red Mountain, der im Sommer grün bewachsen ist und unter der Hand auch Milliardärshügel heißt. Wer da aber genau seinen Privatjet auf dem nahen Flughafen neben Dutzenden anderen Kleinfliegern geparkt hat, um Zeit in seinem Zweit-, Dritt- oder Viertwohnsitz zu verbringen, lassen sich die Einheimischen nur zögernd aus der Nase ziehen. Statt Promi-Hitlisten erfährt man eine gewisse Diskretion. Ein gefallener Radsportstar soll hier seine Runden drehen, ein Medienmogul weile immer wieder hier, natürlich habe auch der eine oder andere coole Onkel aus Hollywood schon in Aspen gewohnt.

Mit dem Mountainbike durch Aspen
Mit dem Mountainbike durch Aspen (c) Matt Power

Die alternativere Vergangenheit der Gegend zeigt eine Radtour entlang des Roaring Fork River in das etwas außerhalb gelegene Örtchen Woody Creek. Hier hat der Schriftsteller Hunter S. Thompson („Fear And Loathing in Las Vegas“) bis zu seinem Tod 2005 gelebt, nachdem er Ende der 1960er-Jahre mit Freigeistern im Schlepptau nach Aspen gekommen ist. Nicht zuletzt mit seiner knappen Niederlage bei der Wahl zum Sheriff brachte er damals eine „Hippie-Kontroverse“ in das Bergidyll.

Nach ein bis zwei stadtbekannten Margaritas in der schmucken Woody Creek Tavern lässt sich der Rückweg nach Aspen auch gern in einem Taxi mit Fahrradträger bewältigen, bevor dort der Abend seinen Lauf nimmt. So schlürft man etwa in der gerade neu eröffneten Dependance der texanischen Austernbar Clarc's Muscheln von allen US-Küsten, um dann zwischen der Open-Mic-Night im Red Onion und der J-Bar im altehrwürdigen Jerome Hotel das Nachtleben zu inspizieren.

Zipline über den Wäldern von Snowmass.
Zipline über den Wäldern von Snowmass.(c) Aspen Skiing Company

In der Bergwelt, die dann doch das beste Argument für einen Abstecher nach Aspen bleibt, findet man am Morgen danach bei einer Yogasession nahe der Bergstation der Silver Queen Gondola seine Mitte. Dass beim Sonnengruß in 3500Metern Seehöhe die Luft wegbleibt, entschädigt der Blick auf das Castle Creek Valley, überragt vom schroffen Castle Peak, an dem sich die Aspen Highlands hocharbeiten: Eines der vier Skigebiete der Umgebung.

Die meisten Pistenkilometer hat aber Snowmass, eine kurze Autofahrt von Aspen entfernt. Der Ort ist kleiner, die Community überschaubarer. Abends trifft man sich bei Gratiskonzerten auf der Skipiste oder dem wöchentlichen Rodeo. Die noch etwas lose Ansammlung von Hotels verpasst sich gerade im Rahmen eines großen Bauprojekts ein echtes Zentrum mit Hauptplatz, Community Center und neuen Unterkünften.

Abseilen am Ende des Zipline Parks - aus mehr als 30 Metern Höhe.
Abseilen am Ende des Zipline Parks - aus mehr als 30 Metern Höhe.Aspen Skiing Company

Zipline durch Aspen-Wälder

Bereits eröffnet hat Snowmass seine neueste Attraktion: den Zipline-Park auf dem Abenteuerspielplatz Lost Forest. Man rast hier in einem Klettergurt an Stahlseilen hängend durch die Wälder. Es beginnt in moderater Höhe, stets behutsam gesichert wird dann von Abschnitt zu Abschnitt auf immer höhere Baumplattformen gewechselt, bis es bei der finalen Fahrt der knapp dreistündigen Tour auch den von Höhenangst Befreiten mehr als 30Meter über dem Boden mulmig wird. Immer wieder kreuzt die Zipline den Trail-Park, in dem Mountainbiker in voller Schutzmontur zu Tal rasen; bergauf geht es mit Gondel und Lift. Und man merkt schnell, dass auch Bergabfahrten Kraft und Kondition verlangen.

Der schönste Teil der Strecken führt durch einen Wald der Aspen Trees, der hier so häufigen Bäume, die Birken ähnlich sehen. Und die, wenn im Herbst Bikepark und Zipline Platz für den Wintersport machen, mit ihren Blättern ein neues Farbenspiel eröffnen.

ESSEN, TRINKEN, KUNST

Aspen Art Museum: In dem von Shigeru Ban entworfenen Gebäude fokussiert sich das Museum seit 2004 auf zeitgenössische Kunst – bei freiem Eintritt. Im SO Cafe auf der Dachterrasse speist man mit Blick auf Aspens Bergwelt. www.aspenartmuseum.org

Jimmy's Restaurant: Typisch amerikanische Küche, perfekte Steaks, Meeresfrüchte und eine reichhaltige Weinkarte. www.jimmysaspen.com

Clark's: Austern, Meeresfrüchte und Fisch von sämtlichen Küsten der USA. www.clarksaspen.com

Anreise: u.a. via Chicago oder Denver mit Lufthansa/United.

Infos: www.aspensnowmass.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2018)

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