Erdoğan droht den USA mit Vergeltung für Strafmaßnahmen

Präsident Recep Tayyip Erdoğan.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan.(c) REUTERS (HANDOUT)
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Washington verhängte Sanktionen gegen türkische Minister wegen Ankaras Umgang mit US-Pastor Brunson.

Istanbul. Das 70-jährige Bündnis zwischen der Türkei und den USA erlebt die schwerste Krise seiner Geschichte: Nach der Verhängung von US-Sanktionen gegen zwei türkische Minister wegen der Festnahme eines amerikanischen Geistlichen bereitet die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan Gegenmaßnahmen vor. Dazu könnte der Rauswurf amerikanischer Soldaten aus der Türkei gehören. Das Außenministerium in Ankara sprach von einer „feindseligen Haltung“ der Vereinigten Staaten, die nicht unbeantwortet bleiben werde. Als Folge des Zerwürfnisses drohen in der Türkei eine schwere Wirtschaftskrise und eine Eskalation des Antiamerikanismus. Die Krise dürfte deshalb die Abwendung der Türkei vom Westen und die Annäherung des Landes an Russland beschleunigen.

Am Mittwochabend hat die Regierung von US-Präsident Donald Trump dem türkischen Justizminister, Abdülhamit Gül, und dem Innenminister, Süleyman Soylu, Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen und die Politiker auf die Sanktionsliste gesetzt. Die von Gül und Soylu geführten Behörden seien verantwortlich für die Inhaftierung des amerikanischen Geistlichen Andrew Brunson im westtürkischen Izmir.

Die Sanktionen an sich sind weitgehend symbolisch, weil die beiden Minister keine Konten in den USA haben, die gesperrt werden könnten. Doch das politische Signal der Maßnahmen stellt eine noch nie da gewesene Eskalation im Verhältnis zu einem Nato-Verbündeten der USA dar: Sanktionen gehören normalerweise zu den Instrumenten der USA im Umgang mit Ländern wie Russland, Iran oder Nordkorea – nun aber richten sich die Strafmaßnahmen gegen einen Nato-Partner. Laut Presseberichten könnten weitere US-Sanktionen gegen regierungsnahe türkische Geschäftsleute folgen.

Türkische Medien meldeten am Donnerstag, es gebe Gespräche zwischen beiden Seiten mit der Hoffnung auf eine baldige Einigung. Bis zum Nachmittag waren aber keine Ergebnisse dieser Unterredungen bekannt. Erdoğan äußerte sich zunächst nicht.

Brunson, ein Missionar und Pastor einer kleinen evangelikalen Kirchengemeinde in Izmir, ist vor fast zwei Jahren wegen angeblicher Zusammenarbeit mit der Bewegung des Erdoğan-Erzfeindes Fethullah Gülen und mit der kurdischen Terrororganisation PKK festgenommen worden. Zudem wird ihm Spionage vorgeworfen. Trump hat sich mehrmals persönlich für die Freilassung des Geistlichen eingesetzt; laut Berichten platzen schon weit gediehene Verhandlungen zwischen USA und Türkei aber, weil die Türkei neue Forderungen gestellt und ein Gericht die Freilassung des 50-Jährigen abgelehnt sowie Hausarrest für ihn angeordnet hat.

Die religiösen Aspekte des Falls vergiften das Klima zusätzlich. Der türkische Vizepräsident, Fuat Oktay, warf den USA am Donnerstag vor, im Interesse „kleiner Interessengruppen“ zu handeln, eine Anspielung auf christlich-fundamentalistische Organisationen in Amerika. Eine regierungsnahe Zeitung meldete, hinter den Sanktionen stecke die Ehefrau von US-Vizepräsident Mike Pence: Sie habe auf Vorschlag von Brunsons Ehefrau Druck auf die Regierung ausgeübt. Erdoğan selbst hatte in den vergangenen Tagen von einer „evangelikalen und zionistischen Mentalität“ in der US-Regierung gesprochen.

Ein Vertreter der türkischen Christen kritisierte das US-Vorgehen. Zwar sei Brunson Unrecht angetan worden, so Ihsan Özbek, ehemaliger Vorsitzender der Evangelikanischen Allianz der Türkei. Die Sanktionen gegen die türkischen Minister seien aber für Brunson selbst wie auch für die evangelikalen Christen in der Türkei schädlich.

Eine ganze Liste an Streitthemen

Brunsons Festnahme ist nur eines von zahlreichen Problemen zwischen der Türkei und den USA. Der Senat in Washington fordert den Stopp der Lieferung von amerikanischen Kampfjets an Ankara, weil die türkische Regierung ein russisches Raketenabwehrsystem kaufen will. Die Türkei kritisiert ihrerseits die amerikanische Unterstützung für eine kurdische Miliz in Nordsyrien sowie die Weigerung der USA, den von Ankara als Organisator des Putschversuchs von 2016 bezeichneten Gülen auszuliefern. Für viele Türken steht fest, dass die USA in den Putsch verwickelt waren; mehrere US-Konsulatsangestellte sind wegen angeblicher Kontakte zur Gülen-Bewegung in Haft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2018)

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