Wie Europa den Iran-Sanktionen Paroli bieten will

Im Einzelfall ist schwer nachzuweisen, ob ein Unternehmen seine Geschäfte im Iran wegen der US-Sanktionen oder aus anderen Gründen beendet.
Im Einzelfall ist schwer nachzuweisen, ob ein Unternehmen seine Geschäfte im Iran wegen der US-Sanktionen oder aus anderen Gründen beendet.(c) APA/AFP/ATTA KENARE
  • Drucken

Seit Dienstag gelten wieder US-Sanktionen. Die EU kontert mit dem Blockingstatut als rein politischem Signal. Nur verhandelte Ausnahmen dürften ein völliges Austrocknen der Geschäfte ab 4. November verhindern können.

Wien. Bei der Bawag PSK war man sehr froh, als sich 2007 mit dem US-Fonds Cerberus ein Kaufinteressent für die schwer angeschlagene Bank fand. So froh, dass man dem künftigen Eigentümer eine vorauseilende Gefälligkeit erwies: Das Institut sperrte die Konten seiner kubanischen Kunden. Denn die USA hatten Sanktionen gegen Kuba laufen; Finanzgeschäfte mit dem kommunistischen Inselstaat waren verboten. Doch dann flatterte den Bankmanagern unerfreuliche Post ins Haus: ein Verwaltungsstrafverfahren auf Basis der EU-Verordnung 2271 aus dem Jahr 1996. Damals hatte Europa auf die Verhängung der US-Sanktionen mit einer Retourkutsche reagiert: Firmen in der EU ist es durch das Blockingstatut verboten, Geschäfte auf Basis der Rechtsvorschriften von Drittstaaten zu verweigern oder zu beenden.

Die Bawag-Causa blieb aber einer der wenigen Fälle, in denen das Konterverbot zu Strafen führte. Schon lange ist es nur noch totes Recht. Mit Stichtag Dienstag aber hat die EU-Kommission für seine Wiederauferstehung gesorgt – um sich gegen die nun zeitgleich wieder anlaufenden US–Sanktionen gegen den Iran zu wehren.

Rein rechtlich stehen damit Unternehmen mit Iran-Bezug zwischen allen Stühlen: Sie können sich aussuchen, ob sie sich von Washington oder Brüssel bestrafen lassen. Es ist allerdings sehr fraglich, ob es diesmal überhaupt zu Strafen kommt.

Im Einzelfall ist schwer nachzuweisen, ob ein Unternehmen seine Geschäfte im Iran wegen der US-Sanktionen oder aus anderen Gründen beendet. Vor allem aber will Brüssel europäische Firmen vor der US-Willkür schützen und nicht zusätzlich Steine auf ihren Weg werfen. Allerdings steht auch die angebotene Hilfe auf tönernen Füßen: Wer durch die US-Sanktionen Schaden erleidet, hat Anspruch auf Entschädigung. Allerdings nicht von Brüssel oder den EU-Staaten, sondern vom „Verursacher“, also den USA. Um das durchzusetzen, könnte die europäische Justiz theoretisch US-Vermögenswerte in der Union beschlagnahmen – ein höchst unwahrscheinlicher Affront.

Kaum konkrete Absicherungen

Als einzige konkrete Absicherung bleibt immerhin, dass die EU-Justiz keine US-Strafzahlungen eintreiben wird. Damit ist die aktualisierte Neuauflage des Blockingstatuts nicht viel mehr als ein politisches Signal, dass sich Europa dem Druck der Amerikaner nicht widerstandslos fügt. In der Praxis wird sich die große Mehrheit der Unternehmen, für die das US-Geschäft wichtiger ist als jenes im Iran, sehr wohl beugen und ihr Iran-Geschäft aufgeben. Allenfalls kleinere Unternehmen ohne US-Bezug könnten den Schutzschirm aus Brüssel in Anspruch nehmen.

Freilich sind vorerst nur bestimmte Branchen von den Sanktionen betroffen, vor allem die Automobil(zuliefer)industrie und der Rohstoffhandel. Ausgenommen bleiben Bereiche, in denen auch zu alten Sanktionszeiten Handel und Investitionen möglich waren, wie Lebensmittel, Pharma oder Papier. Aber nur bis 4. November. Denn dann kommen (neben Energie und der damit verbundenen Infrastruktur) auch generell Finanztransaktionen auf die Verbotsliste. Womit sich in der EU kaum mehr eine Bank finden wird, die auch nur irgendein Geschäft mit dem Iran vermittelt.

Um das zu verhindern, verhandelt die EU parallel zum legistischen Kräftemessen mit Washington um Speziallizenzen für einzelne Firmen und einen Sonderstatus der Europäischen Zentralbank, die dann Transaktionen abwickeln könnte. Bis jetzt stoßen diese Ansinnen auf taube Ohren. Aber vielleicht bewegt sich hier noch etwas. Im Bawag-Fall von 2007 bewilligten die US-Behörden übrigens eine Ausnahme, und die Bank konnte ihre kubanischen Konten wieder öffnen. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Vor allem die jungen Iraner gehen auf die Straßen, weil sich die Staatselite teure außenpolitische Abenteuer leistet, während es der eigenen Bevölkerung am Nötigsten fehlt.
Außenpolitik

Trumps Rechnung im Iran könnte aufgehen

Irans Führung übermittelte USA über Omans Außenminister angeblich einen Verhandlungskatalog.
Donald Trump
Österreich

Trump droht: "Wer mit Iran Geschäfte macht, wird keine mit den USA machen"

Die USA setzten ihre Strafmaßnahmen gegen den Iran in Kraft. US-Präsident Trump twittert von den "schärfsten Sanktionen, die je gegen den Iran eingesetzt wurden".
FILES-GERMANY-AUTOMOBILE-DAIMLER-RECALL-POLLUTION
Unternehmen

Daimler stoppt Aktivitäten im Iran

Der Autokonzern Daimler hat seine Expansionspläne im Iran auf Eis gelegt. Man beobachte die politischen Entwicklungen weiterhin genau.
Seit 6 Uhr früh sind die neuen US-Sanktionen gegen Iran in Kraft.
Österreich

US-Sanktionen gegen Iran in Kraft: "Maximaler wirtschaftlicher Druck"

Donald Trump will die "mörderische Diktatur" in Teheran wirtschaftlich in die Knie zwingen. Die EU und Deutschland haben ihren Widerstand bekräftigt und die Blocking-Verordnung in Kraft gesetzt.
Die amerikanischen Sanktionen werden das Leben im Iran um einiges schwieriger machen. Die Währung befindet sich bereits im freien Fall.
Außenpolitik

Sanktionen erwischen Iran auf falschem Fuß

Durch den Iran wogt eine Welle der Proteste gegen Misswirtschaft und Korruption. Ausgerechnet jetzt, ab heute, legen die Amerikaner neue Daumenschrauben an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.