Wütende alte weiße Kerle sind für den Sportartikelkonzern Nike keine Kern-Zielgruppe. Das merkt auch Donald Trump, der sich über eine Werbe-Botschaft ärgert.
Die jüngsten Attacken von Donald Trump sind gerade erst verhallt, da wird der Werbe-Coup des eigenen Ausrüsters für die NFL zum brisanten Politikum. Kurz vor Saisonstart engagierte der Sportartikelhersteller Nike ausgerechnet Colin Kaepernick als Gesicht seiner neuen Kampagne - obwohl sich der geächtete Profi derzeit mitten in einem Rechtsstreit mit der National Football League befindet. Im Internet wurden prompt Boykott-Aufrufe laut. Auch an der US-Börse wurde die Kampagne negativ aufgenommen: Die Aktie des Adidas-Konkurrenten schloss gut drei Prozent im Minus.
"Glaube an etwas. Auch wenn das bedeutet, dass du alles opferst", twitterte Kaepernick den Werbespruch. Mit der Nike-Aktion fällt nach den immer neuen Angriffen von US-Präsident Trump gegen protestierende Profis und der ersten Teil-Niederlage im Verfahren gegen den Rebellen Kapernick der nächste Schatten auf die neue NFL-Spielzeit. Diese beginnt am Donnerstag mit dem Duell von Super-Bowl-Champion Philadelphia Eagles und den Atlanta Falcons.
Mit Kaepernick begann vor gut zwei Jahren die Welle an Protesten von NFL-Profis, die sich während der amerikanischen Hymne per Kniefall oder mit erhobenen Fäusten gegen Polizeibrutalität und Rassenungleichheiten aussprechen. Die San Francisco 49ers entließen ihren Spielmacher mit Ende der Saison 2016/17, seitdem hat er kein neues Team mehr gefunden.
Im Oktober 2017 leitete Kaepernick rechtliche Schritte gegen die Liga ein, weil die Club-Besitzer ihn aus seiner Sicht im Zuge einer Verschwörung aus der Liga halten. Ein Schlichter sah vergangene Woche nun genug Hinweise für eine derartige Absprache, so dass demnächst Besitzer, Trainer und Teamverantwortliche aussagen müssen - ein Alptraum-Szenario für die NFL, die gehofft hatte, die Causa schnell vom Tisch zu haben. Kaepernick darf auf eine millionenschwere Entschädigung hoffen, einen Job kann er sich aber nicht einklagen. Die neue Werbekampagne kommt für die NFL aber zur Unzeit. Erst im März war der Ausrüstervertrag mit Nike bis 2028 verlängert worden.
Trump hatte in der Vergangenheit protestierende Spieler wie Kaepernick als "Hurensöhne" beschimpft. In einer E-Mail an seine Unterstützer verkündete der US-Präsident zuletzt, dass er eine Petition gestartet habe, damit der Sportsender ESPN vor den Spielen die Nationalhymne übertrage. Die Entscheidung, das nicht zu tun, sei eine "rückgratlose Kapitulation vor dem politisch korrekten, liberalen Mob". ESPN-Präsident Jimmy Pitaro erklärte hingegen, dass das Netzwerk schon in der Vergangenheit die Hymne gar nicht gezeigt habe und dies auch der Plan für die anstehende Saison sei.
Die amerikanische Bevölkerung ist in der Debatte um die Proteste weitgehend gespalten. In einer Umfrage von NBC News und des "Wall Street Journal" antworteten kurz vor Saisonstart 54 Prozent, dass das Knien während der Hymne nicht angemessen sei, um auf die Anliegen der Spieler aufmerksam zu machen. 43 Prozent sehen dies anders.
In der Saisonpause hatte die NFL eigentlich verkündet, dass die Profis während der Hymne stehen oder in der Kabine bleiben sollen. Noch gibt es aber keine gültige Richtlinie zwischen der Ligaführung und der Spielergewerkschaft für die anstehende Saison.
Aus Sicht von Analysten spielt die klare Positionierung des US-Präsidenten gegen die Spieler auch eine wichtige Rolle bei seiner Kampagne für eine mögliche Wiederwahl in gut zwei Jahren. "Die Football-Saison ist eine wöchentliche Sache", sagte Buch-Autor Mark Leibovich dem Magazin "The Atlantic". "Es dürfte viel Berichterstattung geben, wie viele Spieler ihre Fäuste heben oder knien. Und dann kann er jeden Sonntag darüber reden."
Trump sieht "furchtbare Botschaft"
Donald Trump hat Nike erwartungsgemäß für die Werbekampagne mit Colin Kaepernick kritisiert. Dies sende eine "furchtbare Botschaft", sagte Trump der Nachrichtenwebsite "Daily Caller" am Dienstag. "Auf der anderen Seite, darum geht es in diesem Land, dass man gewisse Freiheiten hat um Dinge zu tun, von denen andere glauben, dass man sie nicht tun sollte", ergänzte er.
Die US-Profiliga NFL lobte Kaepernick dagegen in ihrer Stellungnahme. Die sozialen Fragen, die er und andere Spieler aufgezeigt hätten, "verdienen unsere Aufmerksamkeit" und Taten, sagte ein Sprecher.
Experten sagen voraus, dass Nike langfristig von der Werbekampagne profitieren dürfte. Erich Joachimsthaler, Chef des Beratungsunternehmens Vivaldi, erklärte, die Aktion passe genau zum Branding des Sportunternehmens. "Sie stehen für diese respektlose, rebellische Einstellung", sagte er. "In diesem Fall stärkt es die Marke."
Der Analyst Christopher Svezia von Wedbush Securities bescheinigte Nike "besser als jeder andere zu wissen, wer ihre Kunden sind": Meist Männer und männliche Jugendliche im Alter von 14 bis 22 Jahren. Dem schloss sich der Berater Matt Powell von der NPD Group an, der den Boykott-Aufrufen keine Chance gab: "Wütende alte weiße Kerle sind für Nike keine Kern-Zielgruppe."
(APA/dpa/Reuters)