Russischer Oberst soll hinter Skripal-Anschlag stecken

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Der Militärangehörige habe in Tschetschenien und der Ukraine gekämpft, berichten Medien. Eine offizielle Bestätigung, dass er für den Giftanschlag auf den Ex-Spion verantwortlich ist, gibt es nicht.

Ein russischer Oberst soll Medienberichten zufolge an dem Giftanschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter in England beteiligt gewesen sein. Einer der beiden Männer, die die britischen Behörden nach dem Anschlag in Salisbury als Tatverdächtige zur Fahndung ausgeschrieben hatten, sei ein hochdekorierter Oberst, berichteten die Zeitung "Daily Telegraph" und die BBC.

Zwei Insider aus europäischen Sicherheitskreisen mit Kenntnis der Skripal-Ermittlungen sagten Reuters, die Angaben seien zutreffend. Allerdings wollten sich weder Scotland Yard noch das britische Innenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zu dem Bericht äußern.

Der "Telegraph" berichtete, der 39-jährige mit dem Decknamen Ruslan Boschirow, der in Wirklichkeit Anatoli Tschepiga heiße, in Tschetschenien und der Ukraine gekämpft und sei 2014 von Staatspräsident Wladimir Putin mit dem hohen Ehrentitel "Held der Russischen Föderation" ausgezeichnet worden. Dieser Ehrentitel wird in der Regel von Präsident Wladimir Putin persönlich vergeben. Offizielle Aufzeichnungen darüber gibt es laut dem Bericht aber nicht, was nahelegt, dass er für eine geheime Mission geehrt wurde. Er sei ein Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU, teilte das in Großbritannien ansässige Recherchenetzwerk Bellingcat am Mittwoch mit.

Russland negiert Verstrickung Russlands

Die BBC berichtete unter Berufung auf ungenannte Quellen, es gebe "keine Kontroverse" über die Identifizierung. Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte abermals, dass es keine Beweise für eine Verstrickung Moskaus in dem Fall gebe. "Jedes Mal, wenn etwas dazu erklärt wird, gibt es keine hundertprozentigen Beweise", sagte der russische Chefdiplomat in New York.

Der ehemalige russische Spion Skripal und seine Tochter waren im März in der südenglischen Stadt Salisbury in Kontakt mit dem Gift Nowitschok gekommen und schwer erkrankt. Es dauerte Monate, bis sich beide erholten. Die britischen Strafverfolger hatten in der vergangenen Woche zwei Russen als Tatverdächtige identifiziert und international zur Fahndung ausgeschrieben. Russland bestreitet jede Verwicklung in den Giftanschlag. Zwei Männer sagten im russischen Fernsehen, sie seien die beiden Gesuchten, sie seien aber nicht in den Fall verwickelt, sondern hätten Salisbury als Touristen besucht. Auch Putin bezeichnete sie als Zivilisten.

Die britische Regierung macht Putin für den Anschlag verantwortlich, der Kreml weist jegliche Verantwortung zurück. Der Fall führte zu einer schweren Krise zwischen Russland und dem Westen, beide Seiten veranlassten die Ausweisung dutzender Diplomaten. Auch die USA und zahlreiche EU-Staaten zogen mit. Österreich hat sich im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten nicht an Ausweisungen russischer Diplomaten beteiligt.

(APA/Reuters/dpa)

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