Rechtsterroristen hätten früher ins Behörden-Visier geraten müssen

Mehrere mutmaßliche Mitlieder einer rechten Terrorgruppe wurden in Deutschland festgenommen.
Mehrere mutmaßliche Mitlieder einer rechten Terrorgruppe wurden in Deutschland festgenommen.APA/AFP/dpa/CHRISTOPH SCHMIDT
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Die Linke kritisiert das späte Eingreifen, die "führenden Köpfe" seien schon länger bekannt gewesen. Die Grünen werfen Seehofer, Kretschmer und Maaßen "fahrlässige Äußerungen" vor.

Nach der Festnahme von acht mutmaßlichen Mitgliedern der rechtsterroristischen Gruppe "Revolution Chemnitz" ist in Deutschland eine Kontroverse über die Handlungsfähigkeit von Polizei und Verfassungsschutz im Bundesland Sachsen entbrannt. Die Linke-Politikerin Kerstin Köditz erklärte, die jetzt festgenommenen Extremisten hätten viel früher auf dem Radar der sächsischen Ermittler erscheinen müssen.

Schließlich seien die nun Verdächtigen und ihre führenden Köpfe den Behörden schon länger bekannt, sagte die sächsische Landtagsabgeordnete. Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, warf Innenminister Horst Seehofer (CSU), Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen vor, sie hätten die Situation in Sachsen durch fahrlässige Äußerungen verschlimmert. "Wer das Ganze weiterhin als ostdeutsches Randproblem abtun will, verkennt den Ernst der Lage - denn die rechte Szene radikalisiert sich bundesweit, wie wir zuletzt in Dortmund erleben mussten", sagte Hofreiter an die Adresse von CDU und CSU.

Vorwüfe nach NSU-Mordserie

Regierungssprecher Steffen Seibert dankte hingegen am Dienstag den beteiligten Behörden. "Ich denke, das zeigt uns Bürgern, dass die Sicherheitsbehörden wachsam sind und dass es richtig ist, dass Justiz und Polizei auch konsequent durchgreifen", sagte er.

Am Montag waren in Sachsen und Bayern sieben mutmaßliche Mitglieder der Gruppierung festgenommen worden, ein weiteres saß bereits in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft sollen sich die Männer "spätestens am 11. September 2018" zur "Revolution Chemnitz" zusammengeschlossen haben.

Den Angaben zufolge planten sie für den 3. Oktober eine gewalttätige Aktion. Laut einem Medienbericht hatten sie in ihrer internen Kommunikation verkündet, sie wollten mehr Terror verbreiten als der Nationalsozialistische Untergrund (NSU).

Der NSU hatte in den 2000er-Jahren mit zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und 15 Raubüberfällen eine Blutspur durch Deutschland gezogen. Den Sicherheitsbehörden wurde Versagen vorgeworfen, weil die den rechtsextremen Hintergrund der Morde an Einwanderern jahrelang verkannten und das NSU-Trio obendrein bis zu seinem Auffliegen 2011 ungestört in Thüringen und Sachsen leben konnte.

AfD fordert mehr Konsequenz bei Islamisten und Linksextremisten

"Ich finde es gut, dass in Chemnitz schnell gegen mutmaßliche Terroristen durchgegriffen wurde", sagte AfD-Vize Georg Pazderski. Er habe jedoch nicht das Gefühl, dass man bei Islamisten und Linksextremisten genauso konsequent vorgehe. Pazderski, der dem moderaten Parteiflügel der Rechtspopulisten zugerechnet wird, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die AfD selbst muss alle Annäherungsversuche von fragwürdigen Gruppierungen rigoros abblocken." Er halte deshalb auch nichts von gemeinsamen Demonstrationen mit Bewegungen wie "Pro Chemnitz".

Drei Ost-Landesverbände der AfD hatten für den 1. September zu einem "Trauermarsch" in Chemnitz aufgerufen. Die Kundgebung sollte an die Messerattacke auf einen 35 Jahre alten Deutsch-Kubaner erinnern, der am Rande eines Stadtfestes getötet worden war. Als Tatverdächtige waren Asylbewerber ermittelt worden. Zusammen mit mehreren AfD-Landeschefs marschierten an diesem Tag auch Anhänger des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses und der rechtspopulistischen Gruppierung "Pro Chemnitz" durch die sächsische Stadt.

An einer weiteren "Pro-Chemnitz"-Demonstration nahmen auch einige der nun festgenommenen mutmaßlichen Rechtsterroristen teil. Sie traten nach der Kundgebung als "Bürgerwehr" auf und bedrohten mehrere Menschen verschiedener Nationalitäten.

Einem Mann warfen sie eine Flasche an den Kopf. Später stellte sich zudem heraus, dass "Pro Chemnitz"-Chef Martin Kohlmann dem sächsischen Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst) "aus rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt ist".

(APA/dpa)

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