Fall Maaßen: Volkszorn zwingt deutsche Koalition zur Wende

Merkel und Seehofer
Merkel und Seehoferimago/Jürgen Heinrich
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Angela Merkel, Horst Seehofer und Andrea Nahles suchen am Wochenende neue Lösung für umstrittenen Verfassungsschutz-Chef.

Wien/Berlin. Die Stimmung im bayerischen Landtagswahlkampf ist rau, und sie schlägt den Berliner Koalitionsparteien voll entgegen. Das ist zuletzt auch den Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Andrea Nahles (SPD) bei ihren Stippvisiten in München in den vergangenen Tagen nicht entgangen. Die Wähler sind aufgebracht wegen der Beförderung des umstrittenen Verfassungsschutz-Chefs Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär in Seehofers Innenministerium. Die Parteien, insbesondere die SPD, sind mit einem Proteststurm und einer Austrittswelle konfrontiert.

Ein halbes Jahr nach dem turbulenten Start der großen Koalition in Berlin und ein Jahr nach dem Absturz bei der Bundestagswahl ist die Koalition in ihre bereits zweite große Krise gestürzt. „Wir waren am Rand des Abgrunds“, formulierte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Nach hektischen Telefonkonferenzen, nach geballtem Unmut und interner Kritik an ihrem Krisenmanagement hat SPD-Chefin Nahles am Freitag die Initiative an sich gerissen und einen Brief an ihre Koalitionspartner geschrieben, in dem sie eine Neubewertung in der Personalfrage Maaßen vorschlägt. Merkel und Seehofer sagten prompt zu, noch im Laufe des Wochenende eine „tragfähige“, „konsensuale“ Lösung zu finden. „Wir haben uns alle drei geirrt“, bekannte Nahles. In dem Brief zog sie das Fazit: „Wir haben Vertrauen verloren statt es wiederherzustellen.“

AfD verdrängt die SPD

Die SPD ist in Aufruhr über die ungeliebte „Groko“, die sozialdemokratische Parteiseele kocht. Dass ein SPD-Staatssekretär, Gunther Adler, Hans-Georg Maaßen in Seehofers Superministerium Platz machen muss, brachte das Fass zum Überlaufen. Seehofer hatte es zur Bedingung für Maaßens Rücktritt in Folge der Ereignisse in Chemnitz gemacht, den bisherigen Chef des Inlandsgeheimdiensts in einen höher dotierten Job wegzuloben. Ihm allein obliegen Personalfragen in seinem Ressort. Natascha Kohnen, Bayerns SPD-Chefin, brachte die Kritik auf den Punkt: Der Deal sei „in der Sache ein schwerer Fehler, politisch nicht nachvollziehbar und nirgendwo vermittelbar“.

Merkel und Nahles hatten zugestimmt, weil sie nicht das Ende der Koalition und somit Neuwahlen riskieren wollten, in dem derzeit keine der Regierungspartner etwas zu gewinnen hat. Nahles hatte zunächst signalisiert, die SPD-Minister sollten bei der Abstimmung im Kabinett über Maaßen sich demonstrativ der Stimme enthalten. Der linke SPD-Flügel um Juso-Chef Kevin Kühnert, der in einer Urabstimmung mit der Parole „No Groko“ im Februar gegen einen Fortbestand der großen Koalition mobil gemacht hat, strebt dennoch nach einem Ausstieg.

Der Volkszorn richtet sich auch gegen CDU und CSU, wenngleich in einem geringeren Maß. Indiz für den Unmut in Bayern und die Angst vor einer Wahlschlappe in drei Wochen ist allerdings die Einschätzung des CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder, wonach die Koalition in Berlin längst zur Belastung geworden ist. Seehofer selbst hat in den Umfragen massiv an Ansehen eingebüßt. Der Missmut spiegelt sich im Deutschland-Trend der ARD wider, in dem die Union auf 28 Prozent gesunken ist und die AfD (18) die SPD (17) auf den dritten Rang verdrängt hat.

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