Austellungen: Auf (Kopf-)Tuchfühlung

Damals. Frau der Ayt
Damals. Frau der Ayt (c) Gerda Bohm/KHM-Museumsverband
  • Drucken

Das Weltmuseum in Wien widmet dem Kopftuch eine eigene Ausstellung, und auch in San Francisco feiert man „Muslim Fashions“.

Als Max Hollein, der seit August Direktor des Metropolitan Museum in New York ist, vor drei Jahren nach Teheran reiste – damals noch den Fine Arts Museums San Francisco vorstehend –, kam ihm die Idee für eine Ausstellung über zeitgenössische muslimische Mode: „Ich war überrascht, wie modisch Frauen mit dem Verschleierungsgebot umgingen, der Iran ist ja mit Saudiarabien und Teilen von Indonesien das einzige Land, in dem es eine formale Verschleierungspflicht gibt." Ende September feierte „Contemporary Muslim Fashions" unter großer medialer Aufmerksamkeit in San Francisco Eröffnung.

Dass die Verschleierung keineswegs nur ein muslimisches Phänomen ist, will hingegen Axel Steinmann, Chefkurator des Weltmuseums in Wien, mit seiner Ausstellung „Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch" zeigen. Dazu hat er 16 verschiedene Künstler, Designer, Kuratoren und Institutionen eingeladen, zum Thema Kopftuch Position zu beziehen. Es gab keine Vorgaben, ein persönlicher Zugang und freie Assoziationen waren erwünscht, um die verschiedensten Facetten und Themen zu erhalten. Und so steuerte unter anderem das Volkskundemuseum eine europäische Trachtenpuppensammlung bei, Sängerin Timna Brauer, die ihre Großmutter nur mit weißem Gesichtsschleier gekannt haben soll, den Experimentalfilm „Heimatlied?", die Modeschule Hetzendorf Entwürfe zum Thema Kopftuch aus den 1950er-Jahren und Felicitas Heimann-Jelinek, ehemalige Chefkuratorin des Jüdischen Museums in Wien, ein judaisiertes Palästinensertuch mit Davidsternmuster. „Da einzig das Christentum ein explizites Kopftuchgebot als Zeichen der Unterordnung der Frau kennt, galt es, die Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten", erklärt Steinmann, der auch stellvertretender Direktor des Weltmuseums ist.

Shitstorm im Netz. In den letzten Jahren habe es nämlich bereits zahlreiche didaktisch angelegte Ausstellungen und eine große Zahl von Publikationen über den Schleier gegeben. Das sollte nicht immer wieder reproduziert werden, sondern stattdessen aufgedeckt werden, wie Kultur funktioniert. „Die Ausstellung soll zeigen, was bei uns in Vergessenheit geraten ist oder gar vielfach verdrängt wurde." Die Idee für die „Kopftuch-Schau" entstand erst letzten Herbst, kurz nachdem das Weltmuseum seine Pforten nach der Renovierung wieder geöffnet hatte. Der Auslöser? Eine Kopftuchträgerin auf einem Werbeplakat. Das Sujet der Bipa-Kampagne hatte damals einen „Shitstorm" im Netz ausgelöst und den Direktor des Weltmuseums dazu veranlasst, zum Thema „Kopftuch" eine eigene Ausstellung zu initiieren. „Das Kopftuch als Sinnbild der Ehrbarkeit einer Frau gehört zum Judentum, Christentum und Islam, doch ist es um vieles älter als diese Religionen", betont der Kurator. Und so begegnet einem zu Beginn der Ausstellung erst einmal ein Zitat aus dem ersten Korintherbrief des Paulus, in dem die Verhüllung des weiblichen Hauptes Thema ist.

Heute. Halima Aden wurde in Kenia geboren und modelt seit 2016 mit Hijab.
Heute. Halima Aden wurde in Kenia geboren und modelt seit 2016 mit Hijab.(c) Sebastian Kim/Fine Arts Museums of San Francisco

Der frühchristliche Autor Tertullian forderte dann sogar, die Christinnen sollten sich ganz verhüllen. „Einige Historiker glauben, dass der Islam die Frauenverschleierung von den orientalischen Christen übernommen habe", so Steinmann, „der Schleier ist ein urbanes Phänomen." Von der verschleierten Jungfrau Maria über die strengen Kleidervorschriften des Mittelalters spannt die Ausstellung den Bogen bis zur Nazi-Zeit, als das Kopftuch plötzlich urdeutsch geworden war, und den 1950er-Jahren, als es wiederum – vor allem beim Cabriofahren – Freiheit vermittelte. Gezeigt werden aber auch Originaltücher aus dem Orient, historische Fotografien sowie die Videoperformance „Undressing/Soyunma" der Künstlerin Nilbar Güreş.

Mode und Kreativität. Zusätzlich erzählen elf Texttafeln mit Bildern von der individuellen Spurensuche der Beteiligten. Und es werde gezeigt, dass sich die Bekleidungsvorschriften für Frauen stets mit der politischen Wetterlage veränderten. „Religiös motivierte Politik wird auf den Rücken der Frauen ausgetragen", findet der Kurator. „Ich kenne eigentlich kein Beispiel aus der Geschichte, bei dem Frauen den Männern vorgeschrieben hätten, was sie tragen sollen." Umso interessanter sei es daher, zu sehen, wie subversiv und kreativ die Frauen diese Regeln stets unterlaufen hätten. Genau dieses kreative Potenzial will auch „Contemporary Muslim Fashions" in San Francisco vermitteln. „Wir möchten uns in einem Teil der Ausstellung auf die neue Generation von Frauen – Modest Fashion Influencer und Bloggerinnen – konzentrieren und die Frage untersuchen, wie Stil und Mode ein Sprachrohr sein können", so Max Hollein. „Uns war wichtig, eine Momentaufnahme der heutigen Zeit und der interessantesten Entwicklungen im Bereich der muslimischen Mode wiederzugeben." Und so wie zur Zeit der Oktoberrevolution in Russland die Frauen im Osmanischen Reich die Art der Kopftuchbindung von den slawischen Flüchtlingen übernommen hätten, so beeinflussten sich die Kulturen bis heute gegenseitig: „Identität ist etwas Wandelbares", betont Axel Steinmann, „auch das Wesen der Kultur ist Veränderung." 

Tipp

„Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch". Vom 18. 10. 2018 bis 26. 2. 2019 zu sehen im Weltmuseum in Wien. www.weltmuseum.at

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Holleins letzte Ausstellung für das Fine Arts Museum of San Francsico widmet sich muslimischer Mode.
Mode

Max Hollein: „Manche glauben, in der muslimischen Welt gibt es gar keine Mode”

Die Ausstellung “Contemporary Muslim Fashions” im de Young Museum sorgte in den USA bereits vor der Eröffnung für Aufregung. Initiator Max Hollein, nunmehr Direktor des MET-Museums in New York, im Interview mit dem “Schaufenster”.
Noch ungewohnt. Halima Aden steht mit Hijab vor der Kamera.
Mode

Die Kopftuch-Kontroverse in der Mode

Während in Österreich das Verhüllungsverbot anläuft, liebäugelt die Modewelt bisher noch halbherzig mit der kaufkräftigen muslimischen Zielgruppe.
Gastkommentar

Ein Sport-Hijab? Warum denn nicht?

Warum es problematisch ist, dass eine französische Sportartikelfirma ihr Sport-Kopftuch aus dem Sortiment nimmt.
International

Empörung wegen Kopftuch für Joggerinnen bei Decathlon

Der französische Sporthändler sorgte mit einem Angebot für große Aufregung. Das Unternehmen sah sich auch Boykott-Aufrufen ausgesetzt. Nun macht Decathlon einen Rückzieher.
Andrea Schurian

Streitobjekt Schleier: Vorposten der Gewalt gegen Frauen?

Gleichberechtigung beginnt von Kindesbeinen an. Der 1. Februar als World Hijab Day wäre gerade für Frauen ein aktueller Anlass, über das Kopftuch zu diskutieren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.