Insolvenz einer US-Ikone

Das „Amazon des 20. Jahrhunderts“ ist nicht mehr. Das Ende war abzusehen.
Das „Amazon des 20. Jahrhunderts“ ist nicht mehr. Das Ende war abzusehen.(c) imago/Ralph Peters
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Noch vor wenigen Jahren war Sears einer der größten Arbeitgeber der USA. Doch das Ende war abzusehen, nur besonders Mutige hielten den Einzelhändler noch in ihrem Portfolio.

New York. Anfang 2016 begab sich „The Street“ auf die Suche nach der „schlechtesten Aktie der Welt“. Der Finanzdienstleister wurde schnell fündig: Sears, dessen Papier damals bei 18 Dollar notierte. Zweieinhalb Jahre später hat der Einzelhändler Insolvenz angemeldet. Die Aktie ist praktisch wertlos. In gewisser Weise geht auch eine Epoche in der US-Wirtschaftsgeschichte zu Ende.

In Europa mag Sears nicht allzu bekannt sein, doch in den USA war das Unternehmen über Generationen hinweg eine Institution, einst womöglich gar der wichtigste Betrieb der weltgrößten Volkswirtschaft. Viele nennen den Konzern das Amazon des 20. Jahrhunderts, und das hat seinen guten Grund. Vor 125 Jahren hatte Richard Sears damit begonnen, Uhren zu verkaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verkaufte Sears schließlich so gut wie alles, der Umsatz belief sich auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung der USA – genauso wie das heute bei Amazon der Fall ist.

Noch 2010 beschäftigte Sears mehr als 300.000 Mitarbeiter, heute sind es rund 70.000. Die Zahl der Geschäfte ist zuletzt auf 700 geschrumpft, zumindest 150 davon werden sofort geschlossen. Immerhin: Die Chancen, dass die Marke erhalten bleibt, stehen nicht schlecht. Circa 300 Läden könnten nach der Reorganisation weiterhin bestehen bleiben. Aktuell laufen die Verhandlungen mit den größten Gläubigern. Unter ihnen finden sich auch die Finanzgiganten Bank of America und Citigroup.

Viele wollen indes bereits den Schuldigen für die Insolvenz ausgemacht haben: Edward Lampert, ein Investor, dessen Hedgefonds einst in großem Stil in Sears investiert und die Firma damit auch jahrelang noch über Wasser gehalten hat. Lampert selbst hat sich 2005 zum Geschäftsführer ernannt, was wiederum einer der Hauptgründe war, warum „The Street“ dem Einzelhändler die Medaille für die schlechteste Aktie umhängte: „Der CEO hat keine Verbindung zu dem Geschäft.“

Ein paar Fakten zeigen schnell, dass sich das Ende schon lang abzeichnete. Den letzten Gewinn schrieb Sears im Jahr 2011. Bereits im Oktober des Vorjahres weigerte sich beispielsweise Levi Strauss, Sears noch Jeans zu liefern. Zu groß war die Angst, kein Geld für die ausgehändigte Ware zu bekommen. Andere wiederum, etwa die Elektrokonzerne LG und Samsung, belieferten Sears nur noch gegen Vorauskasse. Die nun in New York eingereichten Insolvenzpapiere zeigen Vermögenswerte von 6,9 Milliarden Dollar, der Schuldenstand beläuft sich auf 11,3 Milliarden Dollar.

Hohe Dividenden

Jetzt liegt das Schicksal von Sears in den Händen der Insolvenzrichter sowie einer eigens beauftragten Kanzlei für die Restrukturierung. Viel deutet darauf hin, dass eine Lösung gefunden wird und zumindest ein Teil der Arbeitsplätze erhalten werden kann. Möglich ist das unter den Bedingungen des US-Bankrotts nach Chapter 11. Auch Lamperts Hedgefonds ELS Investments wird bei der Neuaufstellung eine Rolle spielen. Als Geschäftsführer ist Lampert im Zuge des Bankrotts zurückgetreten.

Für Investoren sehen manche Analysten mit der Insolvenz von Sears eine Chance bei anderen Einzelhändlern. Hauptkonkurrenten wie Best Buy, Home Depot oder Walmart haben im Zuge des generellen Börsenabsturzes von vergangener Woche zwar an Wert verloren. Im Jahresvergleich liegen sie aber allesamt deutlich im Plus. Das zuletzt gesehene Minus könnte sich als Gelegenheit zum Einstieg erweisen. Einzelhändler zahlen im Normalfall eine verhältnismäßig hohe Dividende.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2018)

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