Immomarkt Deutschland

First we take Berlin

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Österreicher hatten schon lang den richtigen Riecher: Heimische Immobilienunternehmen profitieren davon, dass sie rechtzeitig in Deutschland aktiv wurden. Der Markt brummt, ein Ende ist nicht in Sicht.

Auf dem großen deutschen Immobilienmarkt mischen einige Unternehmen der kleinen Alpenrepublik ordentlich mit. Neben den großen Immo-AGs haben auch kleinere die Expansionschance nach Norden genutzt. „Für uns waren das Wachstum und die Chancen auf dem deutschen Markt nicht zu übersehen“, erzählt Albert Sacher, beim vor allem auf Anlegerwohnungen fokussierten Grazer Unternehmen C&P für Vertrieb und Projektentwicklung in Deutschland zuständig. 2012 erwarb man die ersten Bestandsimmobilien, die in einzelne Kapitalanlegerwohnungen tranchiert und vor allem bestehenden Kunden angeboten wurden. Danach kamen eigene Projekte: „Aktuell entwickeln wir mehrere Neubauprojekte in Berlin und im Speckgürtel. In Deutschland sehen wir für die Zukunft auch einige andere spannende Märkte“, sagt Sacher.

Seit 2009 ist auch die Landes-Hypothekenbank Steiermark auf dem deutschen Markt aktiv. Oft begleite man heimische Projektentwickler bei ihren Aktivitäten über der Grenze, erzählt der Leiter Immobilienprojektfinanzierungen, Klaus Macher, es gebe aber auch rein deutsche Kunden. Wie akquiriert man in einem Markt, der zehnmal größer ist als der heimische? Nicht anders als zu Hause, „die Neukundenakquise erfolgt größtenteils über Empfehlungen“.

Drastische Unterbewertungen

Für Alexander Neuhubers Unternehmen Magan waren „drastische Unterbewertungen der Berliner Zinshäuser und Wohnimmobilien“ Anlass, bereits 2004 den Sprung nach Berlin zu wagen. In den Jahren darauf erwarb er mit der Stumpf-Gruppe Private-Equity-Beteiligungen in Berlin, Potsdam und Leipzig; jetzt ist die Firma ausschließlich auf Deutschland fokussiert. Der Geschäftsführer von Magan Advisors, Michael Alexander Mitterdorfer, sieht schon neue Investmentmärkte: „Nachdem Berlin und Leipzig einen deutlichen preislichen Aufschwung hatten, haben wir begonnen, in weitere Städte wie Chemnitz, Magdeburg, Zwickau und Gera zu investieren, und gute Erfahrungen gemacht.“ Auch andere Österreicher werden in B-Lagen aktiv, die S-Immo etwa in Leipzig, Rostock oder Kiel, 6B47 entwickelt partiell auch in Ingolstadt und Wuppertal. Dieses Unternehmen hat sich 2011 an einem deutschen Immobilienentwickler beteiligt, diesen vor zwei Jahren zur Gänze übernommen und die Tochter 6B47 Germany gegründet, erklärt Vorstandschef Peter Ulm.

Aber was macht den Markt so attraktiv? „Als wir uns in den Jahren 2005/2006 entschieden haben, einzusteigen, hat man dort für Objekte mit sehr guter Qualität deutlich weniger bezahlt als für Projekte von zweifelhafter Qualität in Osteuropa“, sagt Ernst Vejdovszky, Vorstandsvorsitzender der S-Immo AG. Der Markt im Osten sei überhitzt gewesen, der deutsche habe als langweilig gegolten. „Wir haben das enorme Potenzial gesehen und an Deutschland geglaubt. Heute werden wir für diese Entscheidung belohnt.“ Die CA Immo wiederum profitiert bis heute von einem Coup unter dem damaligen Vorstand Bruno Ettenauer. Für über eine Milliarde Euro erwarb sie 2008 die Vivico Real Estate und somit Grundstücksreserven mit besten Innenstadtlagen. „Deutschland ist heute unser größter Einzelmarkt, der Anteil am Gesamtportfolio – nach Bilanzwert – liegt bei rund 45 Prozent“, sagt CEO Andreas Quint.

Bedarf an neuen Wohnungen

Auch die Immofinanz ist seit Anfang der 2000er-Jahre in Deutschland investiert. Gleich zwei Landmark-Buildings im Düsseldorfer Medienhafen stellte sie heuer fertig, beide Objekte sind voll vermietet, eines ist das neue Headquarter von Trivago. Neue Developments plant die Immofinanz derzeit keine – insgesamt hoffen die Österreicher aber weiter auf gute Geschäfte. „In Berlin brauchte man, um den Zuzug zu bewerkstelligen, rund 20.000 neue Wohnungen pro Jahr“, sagt Sacher von C&P. Und Mitterdorfer bringt es auf den Punkt: „Sollte der deutsche Immobilienmarkt in Europa einmal beginnen zu schwächeln, dann haben andere Märkte in Europa schon längst ein Problem.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2018)

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