Rüttelt Strache am ORF-Gesetz?

Der Streit könnte sich auf den Koalitionsbeschluss auswirken.

Wäre ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf am Donnerstag im „Club2“ gesessen und hätte gegen den ORF argumentiert, wenn der derzeitige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz als schwarz punziert gelten würde? Beobachter werten den Standpunkt der ÖVP im Konflikt um den Manipulationsvorwurf Heinz-Christian Straches (FPÖ) an den ORF als Retourkutsche an die SPÖ: Die Kanzlerpartei hat vor wenigen Wochen – übrigens völlig gesetzeskonform – eines der beiden ORF-Gremien, den ORF-Publikumsrat, im Zuge seiner Neukonstituierung rot eingefärbt; nur so konnte sie auch im mächtigeren Stiftungsrat ihre Mehrheit halten.

Der ÖVP-„Freundeskreis“ in diesem Publikumsrat will zur Causa Strache eine Sondersitzung einberufen. Der Stiftungsrat hingegen befindet sich noch in einem Vakuum– auch seine Amtsperiode endet; die Regierung muss noch neun Kandidaten entsenden, damit er wieder vollständig ist. Das wird erst nach Ostern passieren. In einer „Normalsituation“, so sagten Stiftungsräte der „Presse“, wäre wohl ebenfalls ein Ansuchen auf Sondersitzung ihres Gremiums eingetrudelt. Laut den Einschätzungen von Gremiumsmitgliedern wird der derzeitige Streit über Strache auch dem ORF-Gesetz – Kopf ist einer der Chefverhandler – nicht zuträglich sein: „Die Koalitionsparteien trauen sich derzeit gegenseitig nicht über den Weg“, hört man. Der jetzige Dissens in Medienangelegenheiten sei nur „ein weiterer Baustein der Gesamtsituation“.

ÖVP: „Dann eben keine 160 Millionen!“

Auf das Gesetz hat sich die Koalition eigentlich schon geeinigt. Am 15.April soll ein erster Verfassungsausschuss stattfinden, inklusive Hearing mit ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Jede Partei wird dazu einen Experten einladen. Als Termin für den parlamentarischen Beschluss wird der 19. Mai ins Auge gefasst, hieß es am Freitag. Haben sich die Wogen bis dahin nicht geglättet, könnte sich die ÖVP – sie hat schon einmal kurzfristig ihre Zustimmung zum Gesetz zurückgezogen – laut einem Insider auf folgenden Standpunkt stellen: „Wenn's kein ORF-Gesetz gibt, dann eben auch keine zusätzlichen 160Millionen Euro für den ORF!“ trick

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2010)

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