Landerer und Süss: Die Penthausgegner

Penthausgegner
Penthausgegner(c) Fabry
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Markus Landerer und Claus Süss setzen sich für den Erhalt historischer Gebäude ein. Denn Wien hat bereits viele wertvolle Fassaden verloren. Vor allem wegen der Dächer.

Entstellt!“ Markus Landerer zeigt auf das Haus am Neuen Markt im ersten Wiener Gemeindebezirk. Ein moderner Dachaufbau dominiert das historische Gebäude – für die Neoautoren Landerer und Claus Süss absolut unmöglich. Der Aufbau passe nicht zur Architektur des Neuen Marktes. Außerdem befindet sich das Haus in der Inneren Stadt in einer Schutzzone. Der Originalbau hätte deshalb natürlich erhalten werden sollen.

Landerer und Süss haben 2008 den Verein „Initiative Denkmalschutz“ zur Erhaltung gefährdeter Bauwerke und zur Stärkung des Denkmalschutzes gegründet. Sein Fachwissen erwarb sich Landerer bei seiner langjährigen Tätigkeit im Denkmalamt. Auch wenn er heute beruflich „was komplett anderes“ mache – in seiner Freizeit widmet er sich den gefährdeten Gebäuden rund um Wien. Süss hingegen kommt aus einer ganz anderen Ecke: Er ist Schadensreferent bei einer Versicherung. Als Hobbyhistoriker sei ihm jedoch aufgefallen, dass Wien seit den 1990er-Jahren der Stadterhaltung immer weniger Beachtung schenke. Eine Entwicklung, der die Herren den Kampf angesagt haben.


Kampf um Quadratmeter. Mit Landerer und Süss spazieren gehen heißt daher: Bei jedem Zu-, Um- oder Ausbau eines Gebäudes die Kamera zücken und die Bauarbeiten inspizieren. Ihr gemeinsames Bemühen um die Erhaltung alter Gebäude mündete im Buch „Wiener Wahrzeichen“, das kürzlich erschienen ist und eine Spurensuche durch das alte Wien bietet.

Wer weiß denn heute noch, wie monumental der ehemalige Nordbahnhof um die Jahrhundertwende aus dem Boden geragt ist? Oder wie prächtig die im maurischen Stil errichtete und in der Reichspogromnacht zerstörte Synagoge in der Tempelgasse war? Landerer, Süss und Mitherausgeber Robert Schediwy haben alte Fotografien herausgekramt und erzählen nebenbei Geschichten von einem Wien, das es so nicht mehr gibt.
Das Haus mit der blauen Fassade in der Sterngasse, Ecke Marc-Aurel-Straße zum Beispiel. Bevor dieses Bürogebäude in den 1960er-Jahren errichtet wurde, stand hier ein Bürgerhaus aus dem 16. Jahrhundert. „Das alte Haus wurde rechtswidrig abgerissen“, sagt Süss. Die Eigentümer hätten daraufhin lediglich eine Strafe von 8000 Schilling bezahlt. Das neue Haus hat deutlich mehr Stockwerke als das alte Gebäude, wie historische Aufnahmen bezeugen. Und darum gehe es bei Neubauten schließlich immer: um den riesigen Quadratmetergewinn, wie Landerer sagt.

Beim Kampf um die Quadratmeter könnte auch das Gebäude mit dem originellen Turm am Bauernmarkt fallen, vermuten die Autoren. Laut Eigentümer ist das historische Haus akut einsturzgefährdet – laut Süss und Landerer lässt es sich problemlos renovieren. Im sonst leeren Gebäude harrt nur noch Madame Nina aus. Die Betreiberin des Nachtklubs „Club Bar Nina“ verspricht „amüsante Stunden“ im ersten und zweiten Stock. Fragt sich nur, wie lange noch. Ein paar Schritte um die Ecke, im selben Haus, befindet sich ein leer stehendes Lokal. Hier hatte der Pianist Bela Koreny bis 2007 seine „Broadway Piano Bar“. Heute ist der verwahrloste Eingang mit Plakaten von linken Gruppen zugepflastert, die zu mehr Solidarität in der Welt aufrufen. Und Süss erinnert sich beim Betrachten des leeren Raumes wehmütig an Jazzabende in der Piano Bar.

Erfolglose Mobilisierung. Als Zehnjähriger habe er seine Eltern nur dann auf Wandertouren begleitet, „wenn oben irgendwo eine Burgruine war“, so Landerer. Durch die Innenstadt geht es Richtung Franz-Josefs-Kai, wo das Gebäude „k47“ steht. Hier haben sich Süss und Landerer kennengelernt, als sie mit einer Bürgerinitiative gegen den Abriss des Kai-Palasts mobilisiert haben, der hier ursprünglich stand. Erfolglos. Und enttäuscht zeigt Süss auf das verglaste Dach des k47. „Penthausattitüde“, sagt er mürrisch, während sein Kollege noch einmal nach der Kamera greift.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2010)

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