Türkische Doppelstaatsbürger: Van der Bellen fordert, Fälle neu aufzurollen

Clemens Fabry
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Der Bundespräsident spricht sich dafür aus, abgeschlossene Verfahren gegen Austrotürken, denen der österreichische Pass aufgrund einer laut VfGH nicht authentischen Wählerevidenzliste aberkannt wurde, zu prüfen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich dafür ausgesprochen, in Sachen österreichisch-türkischer Doppelstaatsbürgerschaften jene bereits abgeschlossene Fälle neu aufzurollen, in denen die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde. Der Verfassungsgerichtshof hatte Anfang der Woche entschieden, dass eine Wählerevidenzliste mit zehntausenden Namen von Austrotürken, die den Behörden von der FPÖ zugespielt worden war und die einzige Entscheidungsgrundlage der sogenannten Feststellungsverfahren ist, nicht authentisch sei. Der Datensatz könne kein taugliches Beweismittel darstellen.

Van der Bellen hatte gegenüber der Tageszeitung "Österreich" erklärt, er trete dafür ein, dass die betroffenen Fälle neu aufgerollt werden. "Ja, denn es bleibt ein sehr schlechter Nachgeschmack, wenn jemand seine Staatsbürgerschaft aufgrund einer Liste verliert, die der VfGH als untaugliches Beweismittel einstuft.

Ein Sprecher des Innenministeriums reagierte am Sonntag gegenüber der APA zurückhaltend auf die Aussagen des Präsidenten und verwies auf die geltende Rechtslage. Es gebe gegen derartige Bescheide wie jene bei Staatsbürgerschafts-Aberkennungen ohnehin eine gesetzlich vorgesehene Einspruchsfrist. Darüber hinaus werde man aber - wie bereits angekündigt - die gesamte Causa nach dem Entscheid des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) prüfen.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hatte am Dienstag gegenüber der "Presse" erklärt, er wolle die Verleihung neuer österreichischer Staatsbürgerschaften an Türken fürs Erste aussetzen. Kanzler Sebastian Kurz kündigte an, diese Idee prüfen zu wollen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte daraufhin diese Woche an, dass Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) das weitere Vorgehen prüfen werde.

Van der Bellen kritisiert Ausgehverbot für Flüchtlinge

Auf die Frage, ob er im Fall des in der Türkei inhaftierten Journalisten Max Zirngast aktiv wird, antwortet Van der Bellen: "Dieser Fall war schon Gegenstand eines Gesprächs zwischen Präsident Erdogan und mir. Ich hoffe sehr, dass die Türkei rasch eine positive Entscheidung trifft."

Der Bundespräsident ist auch skeptisch, was ein Ausgehverbot in Asyleinrichtungen betrifft: "Ein Ausgehverbot sei rechtlich nicht möglich, sagt der Kanzler. Namhafte Verfassungsjuristen sehen das bei einer Anwesenheitspflicht ähnlich, da es auf eine unzulässige Beschränkung der persönlichen Freiheiten hinauslaufe". Die türkis-blaue Regierung plant, die nächtliche Anwesenheitspflicht im Rahmen der Hausordnung von Flüchtlingsquartieren umzusetzen.

Trotz der Differenzen - die Zusammenarbeit mit der Regierung bezeichnet Van der Bellen nach einem Jahr als „professionell, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind“.

>>> Interview in "Österreich".

(APA/red.)

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