Türkische Doppelstaatsbürger: Wien will Beschuldigte nicht entschädigen

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Die Stadt habe "im Rahmen einer vertretbaren und sorgsam begründeten Rechtsauffassung" gehandelt. Auch für das Land Niederösterreich sind Amtshaftungsgründe "nicht ganz nachvollziehbar".

Die Stadt Wien will den zu Unrecht der illegalen Doppelstaatsbürgerschaft verdächtigten Österreichern türkischer Herkunft kein Geld rückerstatten, wie von deren Anwalt gefordert wird („Die Presse“ berichtete). Es sei „im Rahmen einer vertretbaren und sorgsam begründeten Rechtsauffassung“ gehandelt worden, sagt der Abteilungsleiter der MA 35 (Staatsbürgerschaft), Werner Sedlak.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Dezember 2018 entschieden hatte, dass sogenannte Feststellungsverfahren gegen Verdächtige aufgrund einer angeblichen Wählerevidenzliste unzulässig sind, fordern nun zwei Betroffene aus Wien und Niederösterreich Schadenersatz von den zuständigen Bundesländern.

Es geht um jeweils rund 3000 bis 4000 Euro, die die beiden ausgeben mussten, um zu beweisen, dass sie keine türkischen Staatsbürger mehr sind. Sollten die zuständigen Abteilungen die Rückerstattung ablehnen, will ihr Anwalt, Kazim Yilmaz, das Geld einklagen.

Sedlak will es darauf ankommen lassen. „Es ist im Amtshaftungsverfahren nicht bloß zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung richtig war, sondern ob sie – im Falle der Unrichtigkeit – auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruht“, sagt er.

Yilmaz sieht das anders. Die Behörden hätten aufgrund einer „völlig abstrusen und willkürlichen Grundlage Feststellungsverfahren initiiert und Bescheide erlassen“. Von einer „vertretbaren Rechtsauffassung" könne keine Rede sein.

Kickl: „Kein Massenproblem“

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) rechnet nur mit wenigen Schadenersatzklagen. „Das ist kein Massenproblem, das sind Einzelfälle“, sagte er am Mittwoch. Dass es angesichts ihrer ungeklärten Herkunft ein Fehler von der FPÖ war, die Liste mit den angeblichen Doppelstaatsbürgern weiterzugeben, wies er zurück. Das sei ein „verantwortungsvoller Umgang, wenn es den Verdacht des Missbrauchs mit Staatsbürgerschaften gibt“.

Seitens des Landes Niederösterreich hieß es, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen zu bestimmten Personen keine Auskunft erteilt werden könne. Angesichts der zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Rechtsprechung seien Amtshaftungsgründe aber „nicht ganz nachvollziehbar“. (kb)

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