Zirngast sieht Prozess als Farce

Max Zirngast sieht sich als einen politischen Gefangenen.
Max Zirngast sieht sich als einen politischen Gefangenen.APA/AFP/ADEM ALTAN
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Er sei nicht zufällig zu Weihnachten entlassen worden, sagt der Österreicher Max Zirngast, der drei Monate in türkischer Haft war.

Ankara. Der im September in der Türkei festgenommene österreichische Journalist und Student Max Zirngast, der unter Auflagen freigelassen wurde, sieht sich als einen politischen Gefangenen. Einen fairen Prozess erwartet er nicht, wie er in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem Magazin „Datum“ erklärte. In der Türkei selbst ortet er „Faschistisierungstendenzen“.

Staat und Gesellschaft würden „zunehmend autoritärer“ werden, gesellschaftlich finde eine „Verrohrung“ statt, die sich etwa im „weiteren Anstieg der ohnehin schon enorm hohen Rate an Frauenmorden“ zeige, betonte Zirngast. In der Türkei lebe man „immer mit der Angst, dass etwas passiert“.

Die Beweise der Anklage seien schwammig, auch wenn sein Telefon sowie die dreier weiterer Personen fünf Monate lang abgehört worden seien. Die türkische Justiz wirft Zirngast vor, Mitglied der „illegalen bewaffneten Organisation TKP/K“, zu sein; Zirngast sagte dazu, dass die Organisation ein Relikt der 1990er-Jahre sei und es als nicht gesichert gilt, ob sie überhaupt noch existiert. „Ich bin keine Geisel, die bewusst während der EU-Ratspräsidentschaft festgenommen wurde. Ich bin ein Kollateralschaden.“ Dass er zufällig zu Weihnachten, am 24. Dezember, aus der Haft entlassen wurde, glaubt er nicht. Auch für ihn sei die Freilassung überraschend gekommen. Bis zum Prozessbeginn am 11. April ist Zirngast die Ausreise aus der Türkei verboten, einmal pro Woche muss er sich bei der Polizei melden. Von einem fairen Prozess auszugehen sei aber „eine Farce“, meinte er in dem Interview. Insgesamt geht Zirngast von „mindestens vier bis fünf“ Gerichtsterminen aus. Er wolle, dass die Auflagen aufgehoben werden.

Der 1989 geborene Steirer studiert seit 2015 Politikwissenschaft an der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara und schreibt für verschiedene Medien in der Türkei und im Ausland, darunter das deutschsprachige linke Magazin „re:volt“.

Unterdessen berichtete die Solidaritätskampagne „Free Max Zirngast“, dass ihnen die Anklageschrift vorliege. Es handle sich um ein „abstruses und böswilliges Konstrukt unbelegter Behauptungen und Mutmaßungen“. Die Schrift zeige, dass Zirngast „über zwei Monate lang beschattet und über fünf Monate hinweg abgehört wurde“. In seinen Artikeln habe er den Ermittlern zufolge das Vorgehen der türkischen Armee in Nordsyrien „delegitimiert“. „Nicht zuletzt“, schreiben die Unterstützer, „werden in der Anklage sogar Philosophiekurse, die er abgehalten hat, zum Thema gemacht.“ (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2019)

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