Plastikfreies Leben

Kein Plastik für Nadine

(c) Marin Goleminov, Presse
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Plastikfreie Alternativen sind im Trend: beim Kochen, Einkaufen und Hygieneartikel. Ein möglichst plastikfreies Leben hat sich auch Nadine Reyhani als Ziel gesetzt, die auf diesem Weg viel lernen durfte.

Der Wecker läutet in der Früh, Nadine Reyhani ist spät dran. Für Frühstück ist keine Zeit mehr, das macht sich die Grazer Volksschullehrerin in der Schule. Was jedoch sein muss, ist Zähneputzen. Wo andere spätestens hier auf Plastik stoßen, ist das für Nadine keine Option. Sie putzt ihre Zähne nämlich mit einer Bambus-Zahnbürste und Zahnöl. Doch dieses morgendliche Ritual ist nur der Beginn eines Tagesablaufs, der sich bewusst nachhaltig und plastikfrei gestaltet.

Wenn sie in der Schule ankommt, macht sie sich meistens einen Kaffee. Die Bohnen sind unverpackt, Bio und Fairtrade. Nach der Schule geht es auf den Bio-Bauernmarkt, um Gemüse und Obst einzukaufen. Plastiksackerl sind hier fehl am Platz, alles wird in ihre mitgebrachten Stoffsackerln eingepackt. Am Markt ist das längst keine Seltenheit mehr. Nadine fällt mit ihren bunten Sackerln voller frischer Zutaten gar nicht auf. Der etwas längere Weg zum Markt erfüllt für sie zwei Zwecke zugleich: einerseits vermeidet sie unnötige Plastikverpackungen, die viel Obst und Gemüse in herkömmlichen Supermärkten haben, andererseits kann sie sich dadurch sicher sein, dass die Produkte, die sie kauft, regional und saisonal sind. Durch das Einkaufen am Markt kommt sie auch nicht in Versuchung im Jänner Erdbeeren aus Peru zu kaufen, egal wie gerne sie Erdbeeren auch mag.

Das Bewusstsein für die Produktion von Lebensmitteln und die Wertschätzung dieser ist ihr besonders wichtig. Laut einer Studie von 2016 des Österreichischen Ökologischen Instituts aller Lebensmittel im Müll, von denen mehr als die Hälfte vermeidbar wäre. Dadurch fragt sich Nadine auch immer bevor sie etwas kauft: „Brauche ich das gerade wirklich?“. Durch diese Frage sagt sie, hat sie sich schon viele Käufe erspart.

Mit den Einkäufen zuhause angekommen, werden diese gleich eingeräumt und teilweise auch schon verkocht. Wenn der Inhalt der Schränke von Nadine genauer betrachtet wird, sind alle Zutaten in eigenen Behältern aus Glas oder in Tupperware verstaut. Diese Behälter sind alte Marmeladengläser, Gläser in denen Tomatensoßen waren. Besonders groß ist ihre Sammlung von Apfelmus, die im Sommer entstanden ist, als sie gleich mehrere Kilogramm geschenkt bekommen und diese sofort eingemacht hat.

Weniger Verwenden heißt weniger Nachkaufen

Das plastikfreie Leben endet jedoch nicht in der Küche. Vor allem im Bad wird auch darauf gesetzt, möglichst ohne Plastik auszukommen, was in diesem Bereich oft Selbermachen bedeutet. Ihr Waschmittel aus Waschsoda und Kernseife wird selbst produziert und in Gläser abgefüllt, ebenso wie ihr Deodorant, das aus Natron und Maisstärke besteht. Das Puder zum Schminken ist aus Maisstärke und Zimt. Statt Duschgel kommt eine Seife, die in Papier gekauft wird zum Einsatz und Essig dient als Conditioner. Somit stellt Nadine sicher, dass sie kein Plastik verwendet und weiß gleichzeitig um die Inhaltsstoffe aller Produkte Bescheid, die auf ihren Körper kommen.

Diese Produkte wurden von der 23-Jährigen Schritt für Schritt in das Badezimmer eingeführt und ausgetestet. Beim Waschmittel ist ihr beispielsweise aufgefallen, dass viel weniger verwendet werden muss als bei herkömmlichen Waschmittelherstellern angegeben, um auf das gewünschte Ergebnis zu kommen. Die Einschränkung der Menge in der etwas verwendet wird, sei es nun Waschmittel oder Zahnpasta, kann schon ein plastikfreierer Schritt sein, denn weniger zu verwenden, bedeutet auch weniger von dem Produkt nachzukaufen. Und darum geht es der Grazerin, um diese ersten plastikfreien Schritte.

(c) Nadine Reyhani

„Man kann nicht von heut’ auf morgen sein ganzes Leben umstellen“

Für Nadine bedeutet ein nachhaltiges, möglichst plastikfreies Leben zu führen, immer wieder dazuzulernen, neue Dinge zu probieren und nicht so streng mit sich selbst zu sein. Um ganz plastikfrei zu leben sagt sie, könnte sie auch nicht mehr in Restaurants essen gehen, da sie nicht wissen würde, wie deren Ware verpackt sei. Es geht für sie aber nicht um Extreme oder einen Perfektionsanspruch, sondern darum das zu tun, was möglich und wichtig ist. Das ist etwas, was sie im Laufe der letzten drei Jahre lernen musste. Der Weg zum plastikfreien und „Zero-Waste“-Leben war kein kurzer. „Man kann nicht von heut’ auf morgen sein ganzes Leben umstellen und erwarten, dass gleich alles gut läuft. Ich kenne viele, die sagen, dass das alles keinen Sinn hat, doch viele kleine Taten können etwas bewirken. Und eine kleine Tat ist immer noch besser als keine kleine Tat.“

Dadurch, dass die ganze Gesellschaft umgeben von Plastik ist, ist es schwer möglich, diesem Material komplett aus dem Weg zu gehen. Sie selbst hat ein kleines Papier-Sackerl, in dem sie ihren Plastikmüll aufbewahrt. Die Inhalte dessen setzen sich zusammen aus der Verpackung einer Fairtrade-Schokolade, drei Tetrapacks, einem Reis-Sackerl, dem Plastik-Sackerl eines Geschenks und einem Joghurtbecher. Dieser Inhalt ist der Plastik-Müll, den sie in den letzten drei Monaten produziert hat. Die Tetrapacks beinhalteten Bio-Hafermilch, die gekauft wird, da sie bislang kein passendes Rezept gefunden hat, das genauso gut schmeckt. Das Joghurt hat sie sich gegönnt, da sie gerade sehr darauf Lust hatte und keine adäquate Alternative entdeckt hatte. „Man darf nicht so streng sein“, lacht sie.

Bewusstsein steckt an

Wenn es um plastikfreies Leben geht, kann jeder einen Beitrag leisten. Es können einfache Schritte sein, wie Bananen nicht ins Plastik-Sackerl zu geben, bis hin zur Zugfahrt anstatt dem Flug für eine Kurzstrecke. Dass nicht jeder die gleichen Möglichkeiten beizutragen hat, ist Nadine Reyhani klar. Ihre Offenheit über ihre eigenen Hindernisse zu sprechen und das Bewusstsein, das sie für ein plastikfreies Leben entwickelt hat, steckt viele in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis an. Vor allem durch das Teilen auf ihrem Instagram-Account wird sie oft auf ihre Rezepte oder Lebensweise angesprochen.

Auf die Frage, ob dieser Lebensstil nicht teurer kommt, bleibt sie vage. Sie sagt, dass man bestimmte Sachen ausprobieren muss und beispielsweise verschiedene Märkte preislich variieren. Sie sagt, dass sie gerne mehr Geld für Gemüse ausgibt, wenn sie im Gegenzug weiß, dass es nicht mit chemischen Produkten behandelt wurde. Eine Art, wie sie Geld spart, ist indem sie Produkte, die eine lange Lebensdauer haben, in Großmengen bestellt und sie sich diese dann mit ihren Freunden und ihrer Familie teilt. Zwar kommt diese Ware meist verpackt, doch die Zweit- und Drittverpackungen werden dadurch gespart. Ihre persönliche Einschätzung ist jedoch, dass sie durch ihren Lebensstil nicht viel teurer lebt, da sie zwar in manchen Bereichen mehr ausgibt, in anderen jedoch viel einsparen kann.

Ein weiterer Bereich, in welchem es Nadine gelingt, sowohl zu sparen, als auch nachhaltiger zu leben, ist ihr Einkauf-Verhalten, sowohl bei Kleidung als auch bei Haushaltsgegenständen. Sie kauft fast nur Second Hand ein, wenn sie etwas braucht und findet auch meistens das, was sie haben möchte - auch wenn das manchmal heißt, ein bisschen länger zu suchen. Dass ein nachhaltiges Leben viele ihrer Lebensbereiche durchdringt, hat sie sich selbst beibringen müssen. Durch die Lektüre verschiedener Bücher, aber auch durch Blogs und Posts in den sozialen Netzwerken findet sie immer wieder neue Dinge zum Ausprobieren.

Für das Recherchieren und Entdecken neuer Zero-Waste-Rezepte wird meistens die Abendzeit verwendet. Bevor sie ins Bett geht, werden im Bad letzte Vorkehrungen getroffen. Zum Abschminken kommen wiederverwendbare Pads, die sie aus alten Handtüchern hergestellt hat, in Verwendung. Mit etwas Olivenöl und Wasser reinigt sie ihr Gesicht, mit einer Bürste aus Holz werden ihre Haare gekämmt und wenn die Haare am nächsten Morgen nicht so frisch sein sollten, dann trägt sie einfach ein Trockenshampoo aus Maisstärke und Zimt mit einem Kosmetikpinsel auf.

Ganz plastikfrei lebt Nadine dennoch nicht. Vor allem in ihrem Beruf als Volksschullehrerin ist es durch die Verwendung von Stiften, Kleber und weiteren Bastelmaterialien nicht leicht, die Plastikvermeidung umzusetzen. Nadine möchte jedoch mit ihrem Lebensstil aufzeigen, dass es möglich ist, mit weniger Plastikmüll zu leben und dass Nachhaltigkeit oft eine Entscheidung und nicht eine Hürde ist.

Fünf Tipps zum Zero-Waste-Einstieg von Nadine

  1. Am besten immer ein bis zwei Stoff-Sackerl dabei haben. Somit ist man für spontane Einkäufe am Nachhauseweg gut gewappnet.

  2. In eine gute Trinkflasche investieren. In Österreich haben wir eine sehr gute Trinkwasser-Qualität, die soll auch genutzt werden.

  3. Statt Flüssigseife feste Seifenstücke verwenden. Der Umstieg ist einfach und die Seife hat die selbe Wirkung.

  4. Second Hand einkaufen und nicht auf alle „Sale“-Aktionen reinfallen. Meistens braucht man nicht die neuesten Trend-Teile, die nach einem Jahr wieder out sind.

  5. Und am wichtigsten: Vor dem Kauf nachdenken: „Brauch ich das wirklich?“. Egal ob es Erdbeeren im Winter oder die zehnte Jeans ist, es geht darum, bewusster mit den Ressourcen dieser Welt umgehen zu lernen.

>>> Nadines Blog: nade in the kitchen.

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