Bundesländer uneins bei Frage der Masern-Impfpflicht

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Während die meisten Länder Zwangsmaßnahmen ablehnen, ist für die Verantwortlichen in der Steiermark und Oberösterreich eine Verpflichtung zumindest denkbar.

Die Gesundheitsbeauftragten von Österreichs Bundesländer sind bei der Frage um eine etwaige Masern-Impfpflicht gespalten. Während in den meisten Ländern Zwangsmaßnahmen abgelehnt werden, ist für die Verantwortlichen in der Steiermark und Oberösterreich eine Verpflichtung zumindest denkbar.

  • In Wien ist bisher ein Masernverdachtfall gemeldet worden, wie ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Freitag mitteilte. Hacker hat sich bereits gestern, Donnerstag, gegen eine generelle Impfpflicht ausgesprochen. Er halte nichts von Zwangs- und Strafsystemen, betonte er. Stattdessen müsse man auf Motivation setzen - wobei hier noch "Luft nach oben" sei, wie er befand.
  • "Wir in Niederösterreich setzen vorerst auf Aufklärung und wollen das Bewusstsein für Schutzimpfungen mit niederschwelligen Beratungsangeboten wieder schärfen", sagte Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). Seit zwei Jahren werden Impf-Info-Touren durchgeführt, die das Wissen zum Thema verbessern sollen und individuelle Beratungen vorsehen.

    Bei Neuaufnahmen von Mitarbeitern in einem niederösterreichischen Landes- oder Universitätsklinikum wird seit Herbst 2018 ein umfassender Impf- oder Immunitätsnachweis vorausgesetzt. "In diesem Zusammenhang ist darüber nachzudenken, ob dieser Nachweis nicht auf weitere Berufsgruppen auszuweiten ist. Außerdem wäre die verpflichtende Impfberatung im Mutter-Kind-Pass ein wichtiger Impuls, um eine entsprechende Durchimpfungsrate aufrechtzuerhalten", sagte Königsberger-Ludwig. Masern-Meldungen gab es heuer noch keine in Niederösterreich. Am Freitag sei der erste Verdachtsfall eingegangen, der noch nicht bestätigt wurde, hieß es auf Anfrage.
  • Im Burgenland gibt es aktuell keinen Masernfall. Den letzten gab es laut Büro von Gesundheitslandesrat Norbert Darabos (SPÖ) im Jahr 2018, wobei die Person aus der Slowakei stammte. Generell funktioniere das Impfsystem im Burgenland sehr gut. Seit 1. Jänner 2009 wurden im Burgenland nur 16 Masern- und Rötelnerkrankungsfälle gemeldet. Angesprochen auf eine etwaige Impfpflicht meinte der Landesrat: "Impfen bedeutet einen Eingriff in die körperliche Integrität. Daher setzt das Land Burgenland auf Aufklärung und Information, um die Mündigkeit der Bürger zu stärken", so Darabos.
  • In Oberösterreich sind laut Gesundheitsressort zuletzt weder Masern- nach Masern-Verdachtsfälle aufgetreten. Akutmaßnahmen wurden daher nicht getroffen, allerdings habe man in den vergangenen Jahren Einiges zur Vorsorge unternommen - von der kostenlose MMR-Impfung für alle Altersgruppen über Informationen in Schulen bis hin zu Impfangeboten in Betrieben. Die zuständige Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) spricht sich dennoch dafür aus, eine Impfpflicht "zumindest zu überdenken", denn ein Anreizsystem gebe es bereits und trotzdem erreiche man keine zufriedenstellende Durchimpfungsrate. Für ihre Forderung nach einer Impfpflicht erhielt sie bereits Rückendeckung vom oö. Ärztekammerpräsidenten Peter Niedermoser.
  • Der steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) meinte: "Ich bin ganz klar für das Impfen. Wenn es weiterhin zu Gesundheitsgefährdungen durch mangelnde Durchimpfungsraten kommt, bin ich für weiterführende Maßnahmen. Eine verpflichtende Aufnahme der Masernimpfung in den Mutter-Kind-Pass kann ich mir als geeignetes Mittel vorstellen." Karl Stöger von der Universität Graz sagte am Freitag im ORF Radio Steiermark, dass seiner Ansicht nach eine Impfpflicht "rein rechtlich möglich" sei: "Eine Krankheit, die nicht nur die Person selbst gefährdet, sondern auch viele andere und besonders schwere Konsequenzen haben kann - und das ist bei Masern der Fall - rechtfertigt es aus verfassungsrechtlicher Sicht, dass man in die Grundrechte der Menschen eingreift und sagt, du musst das jetzt tun oder zumindest du sollst das jetzt tun, sonst gibt es Konsequenzen."

    Das LKH Graz berichtete am Freitag, dass ein 13 Monate altes Kind mit Masern neu zur Behandlung in die Kinderklinik gekommen sei. Bei einem Säugling hatte sich dagegen der Verdacht nicht bestätigt. Jenes Baby, das bis zuletzt noch wegen der Erkrankung behandelt wurde, konnte mittlerweile in häusliche Pflege entlassen werden.
  • Im Bundesland Salzburg sind zurzeit sieben Masern-Fälle bekannt, sechs davon im Pinzgau und einer im Tennengau, so die Landessanitätsdirektion. Im Bundesland sind etwa 80 bis 85 Prozent der Menschen geimpft, für einen guten Allgemeinschutz wäre eine Quote von 95 Prozent notwendig. Gesundheitsreferent LHStv. Christian Stöckl (ÖVP) steht einer generellen Impfpflicht skeptisch gegenüber, wie er erklärte. "Wir setzen in Salzburg seit Jahren verstärkt auf Aufklärung und Überzeugungsarbeit und werden diesen Weg weitergehen."

    "Es wird immer Menschen geben, die sich oder ihre Kinder trotzdem nicht impfen lassen", begründete Stöckl, warum er einer generellen Impfpflicht skeptisch gegenübersteht. Salzburg biete auch immer wieder Impfaktionen an, bei denen jene Impfungen, die nicht gratis sind, finanziell unterstützt würden. "Da setzen wir auf positive Anreizsysteme. Sehr viel verspreche ich mir auch von der Impfdatenbank, die aktuell in der Landessanitätsdirektion implementiert wird." Dadurch werde es dann möglich sein, aktiv auf die Menschen zuzugehen und sie an die verschiedenen notwendigen bzw. anstehenden Impfungen und Auffrischungen zu erinnern. "Auch das wird die Durchimpfungsrate erhöhen", meinte Stöckl.
  • In Kärnten gibt es aktuell keine Masern-Fälle. 2018 und 2017 wurden je zwei Erkrankungen gemeldet. Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) findest es "schockierend", wenn Menschen Impfungen verweigern, sagte sie am Donnerstag in einer Aussendung. Eine generelle Impfpflicht lehnt sie jedoch ab, auch Sanktionen sieht sie kritisch. Prettner wäre für "verstärkte Aufklärung und Sensibilisierung" und schlägt vor, ein verpflichtendes Aufklärungsgespräch übers Impfen in den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen zu verankern. Eine Impfverpflichtung gibt es für Mitarbeiter der Kabeg-Krankenhäuser in der Kinderabteilung und der Onkologie. Um mehr Menschen zum Impfen zu bewegen, befinde sich in Kärnten aktuell ein System mit Erinnerungsschreiben für die Masern-Mumps-Röteln-Impfung in Umsetzung, hieß es.
  • Der Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) sprach sich in der Frage einer möglichen Impfpflicht für Aufklärung, Prävention und Vorsorge aus. "Der Schlüssel zu einer möglichst umfassenden Durchimpfungsrate ist Information und Aufklärung für die Bevölkerung. Aus diesem Grund wird die Landesregierung in Tirol eine weitreichende Informations- und Aufklärungskampagne zum Thema Impfen starten", meinte Tilg.

    Bezüglich der Masernfälle in Tirol wurden von den Behörden gemeinsam mit den Krankenanstalten umfassende Vorsorgemaßnahmen getroffen, hieß es. Verdachtsfälle wurden unverzüglich unter Quarantäne ärztlich betreut und alle entsprechenden Überprüfungen und Laboruntersuchungen durchgeführt. Möglicherweise gefährdete Personen, die mit den Verdachtsfällen bzw. erkrankten Personen in Kontakt standen, werden ebenso umgehend informiert, aufgeklärt und allenfalls aus medizinischer Sicht notwendige Maßnahmen gesetzt.
  • "Immer, wenn es einen Anlassfall gibt, geht die Diskussion in Richtung Impfpflicht. Was wir aber brauchen, ist ein grundsätzlich gut aufgestelltes System mit Bewusstseinsbildung für die Wichtigkeit von Impfungen", so der Vorarlberger Gesundheitslandesrat Christian Bernhard (ÖVP). Man solle die Kraft nicht darauf verwenden, einige wenige Impfgegner zu überzeugen versuchen. "Wir müssen vielmehr die breite Bevölkerung bestmöglich unterstützen, die grundsätzlich willig ist, aber halt vielleicht ein bisschen nachlässig", so der Landesrat, der diesbezüglich große Hoffnungen auf den E-Impfpass setzte. Dieser werde ab 2021 flächendeckend in die ELGA eingebunden und leicht zugänglich über den Impfstatus informieren.

    Einen weiteren Hebel sah Bernhard bei den Schulärzten. Die Vorgangsweise bei Schuluntersuchungen und -impfungen müsse vereinheitlicht werden. Hier strebe man eine österreichweite Lösung an, Gespräche mit dem Bund liefen bereits. Heuer gab es bisher in Vorarlberg keinen Masernfall, 2018 waren es drei. Im Anlassfall stelle man auch bei den Vorarlberger Gesundheitsbehörden fest, dass viele im Umfeld des Erkrankten ohne ausreichenden Schutz seien. "Wir müssen die Menschen wieder daran erinnern, konsequent auf ihre Impfungen und Auffrischungen zu achten", so Bernhard. Neben Nachlässigkeit und Bequemlichkeit ist für ihn auch der Impferfolg dafür verantwortlich, dass sich weniger Menschen impfen lassen. Man kenne die Folgen der Krankheiten oft nicht mehr, diese würden unterschätzt.

(APA)

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