Die kostbarsten Blumen der Welt

Tulpen wurden während einer Spekulationsblase zu obszön hohen Preisen angeboten.
Tulpen wurden während einer Spekulationsblase zu obszön hohen Preisen angeboten.(c) Ute Woltron
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Ausgerechnet Tulpenzwiebeln verursachten die erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte. Die Hausse ist Historie, doch die Leidenschaft hält an.

Mitte des 16. Jahrhunderts erreichten die ersten Tulpenzwiebeln aus dem Osmanischen Reich Europa, und zwar, um genau zu sein, Wien. Kaiser Maximilian II. ließ sie damals als Erster in den Gärten von Schloss Neugebäude pflanzen, doch schon Augenblicke später begehrten auch andere die schönen Blumen aus dem Morgenland. Tulpenzwiebeln wurden zu einem maßlos gefragten Tausch- und Sammelobjekt. In Holland etablierte sich flink eine exquisite kleine Tulpenzwiebelindustrie, die in den Dreißigerjahren des 17. Jahrhunderts zu einer – von Wirtschaftshistorikern gründlich erforschten – Spekulationsblase des Tulpenzwiebelhandels führte. Unter dem Namen Tulpenmanie ist sie in die Geschichte eingegangen.

Einzelne Tulpenzwiebeln haben für kurze Zeit derart obszön hohe Preise erzielt, dass rationales Denken an der Analyse dieser Hausse scheitern muss. Die teuerste Tulpe aller Zeiten war die in der Tat prachtvolle purpur-weiß gestreifte Semper Augustus, eine Sorte, die es nicht mehr gibt. 1637 wurden drei ihrer Zwiebeln für wohlfeile 30.000 Gulden angeboten, was damals dem 200-fachen Durchschnittsjahreseinkommen eines Niederländers entsprach. Für den Wert einer dieser Zwiebeln hätte man ein nobles Stadthaus in Amsterdams erwerben können. Wie es dazu gekommen ist, dass die Tulpenspekulationsblase über Nacht geplatzt ist, die Tulpenpreise in den Keller gerasselt sind, sich Angebot und Nachfrage auf normale Niveaus eingependelt haben, beschäftigt Wissenschaftler bis heute.

Leistbare Sorten. Uns beschäftigt hingegen, welche der zahllosen, glücklicherweise mittlerweile leistbaren Tulpensorten wir für Garten und Pflanzgefäße wählen sollen. Als Gewächs, das nur dann blüht und gedeiht, wenn es zumindest für ein, zwei Wochen der winterlichen Kälte ausgesetzt war, hätte die Zwiebel bereits im Herbst gepflanzt gehört. Doch auch wenn Sie darauf vergessen oder den rechten Zeitpunkt verpasst haben: „Vorgetriebene“, also kältebehandelte Zwiebeln können auch noch im Frühling im Freien gepflanzt oder drinnen in Gläsern und Töpfen zum Blühen gebracht werden. Diese Zwiebeln haben ihre Kühlphase bereits hinter sich und sind startbereit.

Tulpen gibt es, wie gesagt, in unübersehbarem Angebot: Es gibt früh blühende, spät blühende, einfache, gefüllte, solche mit gefransten Blütenrändern und mit zipfelig spitzen, mit sternförmigen und pokalartigen Blüten. Es gibt sie in allen Rot- und Rosaschattierungen, in Weiß, Gelb, Orange, Lila. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Eine Besonderheit bleiben die speziell begehrten fein gestreiften Tulpen. Eine solche war die Semper Augustus. Was die Tulpenzüchter des 17. Jahrhunderts nicht wussten: Die Streifen sind nicht Produkt einer besonders gekonnten Züchtung, sondern werden durch ein Mosaikvirus verursacht. Die Gruppe der Gestreiften heißt Rembrandt-Tulpen, obwohl sich im Oeuvre des niederländischen Meisters – im Gegensatz zu vielen anderen Malern des „Goldenen Zeitalters“ – kein einziges Tulpengemälde befindet.

Wie auch immer: Die leicht zu kultivierenden Schönen wollen fruchtbaren, humosen und wasserdurchlässigen Boden, und sie gedeihen in voller Sonne am besten. Die Zwiebeln kommen zehn bis 15 Zentimeter tief in den Boden, der Pflanzabstand richtet sich nach der Blütengröße. Nach der Blüte reifen in den Kapseln Samen aus. Normalerweise knipst man diese zwar ab, um die Kräfte der Zwiebel zu schonen. Doch wenn Sie ein, zwei Samenkapseln stehen lassen, säen sie sich aus. Es dauert zwar bis zu sechs Jahre, bis die Sämlinge blühen, doch das Experiment ist es allemal wert.

Gedüngt wird in den Wochen nach der Blüte. Die Zwiebeln entwickeln sich jetzt neu und brauchen dafür Kraftnahrung. Erst wenn die Blätter im Sommer vergilben und welken, sollten sie abgeschnitten oder mit einer Drehbewegung aus dem Boden gezogen werden. Den Sommer verbringen die Zwiebeln dann unter der Erde und durchaus in Trockenheit. Alle Energie versammelt sich in dieser wunderbaren Konstruktion der Natur, nimmt über den Winter sozusagen Anlauf, um im Frühling dann mit prächtigem Form- und Farbspektakel durchzustarten.

Wer jetzt bereits üppige Tulpensträuße heimträgt, sollte die Stiele mit einem Messer schneiden, nicht mit der Schere, die Gefäße in den Stielen abzwicken, was die Blüten welken lässt. Gekaufte Tulpen werden immer um zumindest zwei Zentimeter zurückgeschnitten, bevor sie ins Wasser kommen, denn schon nach einer Viertelstunde trocknen die Enden aus und die Pflanzen können nur noch schwer Wasser aufnehmen. 

Lexikon

Tulpen. Geschätzte 4200 Tulpensorten und 15 Tulpenklassen gibt es, von den einfachen frühen Tulpen über gefranste, gefüllte und lilienblütige Tulpen bis zu den lustig gerüschten Papageientulpen.

Rembrandt-Tulpen. Die sogenannten geflammten Blütenblätter der historischen Rembrandt-Tulpen waren aufgrund eines Mosaikvirus mehrfärbig. Moderne gestreifte oder geflammte Züchtungen sind virusfrei.

Name. Aller Wahrscheinlichkeit nach leitet sich der Name Tulpe vom persischen „dulband“ und dem türkischen „tülbend“ ab, der ursprünglichen Bezeichnung für einen Turban.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2019)

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