Der britische Verteidigungsminister übt zum Auftakt der Großveranstaltung Kritik an Moskau. Am Rande der Konferenz soll mit Russland aber auch über die Rettung des INF-Vertrages geredet werden.
München. Es waren harte Worte, die der britische Verteidigungsminister für Russlands Regierung fand: „Ein alter Gegner ist zurück“, sagte Gavin Williamson. „Vor 30 Jahren ist die Berliner Mauer gefallen, aber vor fünf Jahren hat Russland die Krim illegal annektiert.“ Russland sei eine Bedrohung für die Sicherheit, denn seine „illegale Aktivitäten“ gingen weiter.
Die verbale Attacke gegen Moskau war Teil seines Vortrags, den der britische Verteidigungsminister am Freitag zu Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz hielt. Williamson eröffnete gemeinsam mit der deutschen Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, die Großveranstaltung im Hotel Bayerischer Hof.
Drei Dutzend Staats- und Regierungschefs und etwa hundert Minister aus aller Welt nehmen an der Sicherheitskonferenz teil. Aus Österreich ist Außenministerin Karin Kneissl nach München gereist. Dort soll bis Sonntag unter anderem über die Sicherheit in Europa, den Nahen Osten sowie den Iran und Afghanistan beraten werden.
Ein dominierendes Thema ist das drohende Ende des INF-Abrüstungsvertrags. „Russland hat ganz klar den INF-Vertrag verletzt“, kritisierte der britische Verteidigungsminister. Der Kreml versuche, die Nato in ein neues Wettrüsten zu treiben, das der Westen aber nicht wolle.
„Keine alten Antworten“
Der Vertrag über Intermediate Range Nuclear Forces (INF) – also über atomare Mittelstreckensysteme – stammt aus dem Jahr 1987. Die USA und die damalige Sowjetunion einigten sich auf den Abbau landgestützter atomarer Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern. Nun wirft Washington der Regierung in Moskau vor, mit dem neuen russischen Marschflugkörper 9M729 (Nato-Bezeichnung SSC-8) gegen dieses Abkommen zu verstoßen. Russland bestreitet das: Der Marschflugkörper erreiche keine 500 Kilometer. Anfang Februar haben die USA erklärt, aus dem INF-Vertrag auszusteigen. Russland hat nachgezogen. Vor allem die Europäer versuchen, das Abkommen doch noch zu retten.
Innerhalb der Nato müssten alle Gegenmaßnahmen gemeinsam entschieden werden, sollte Russland nicht zur Vertragstreue zurückkehren, sagte von der Leyen in München. Alte Antworten nach dem Motto „Auge um Auge“ wie aus den Achtzigerjahren seien jedenfalls nicht mehr die richtigen Muster. Damals, mitten im Kalten Krieg, hatten Nato und Warschauer Pakt jeden Aufrüstungsschritt des Gegners mit einer spiegelbildlichen Nachrüstung beantwortet.
Die Vertreter der Nato-Staaten wollen die Sicherheitskonferenz dazu nutzen, um mit Russland hinter den Kulissen über eine Lösung zu beraten. Aus Moskau reist Außenminister Sergej Lawrow an. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat bereits am Mittwoch angekündigt, in München mit Lawrow zusammenzutreffen. Stoltenberg zeigt sich skeptisch gegenüber der Stationierung neuer westlicher Atomwaffen in Europa. Eine Option sei aber der Ausbau konventioneller Systeme.
Die USA sind in München mit einer großen Delegation unter Vizepräsident Mike Pence und Verteidigungsminister Patrick Shanahan vertreten. Zudem wurden Ivanka Trump, die Tochter und Beraterin des US-Präsidenten, und ihr Mann, Jared Kushner, erwartet.
Große Delegation aus China
Washington scheint wenig Interesse daran zu haben, den INF-Vertrag in seiner jetzigen Form zu erhalten. Die USA kritisieren, dass Rivalen wie China nicht an das Abkommen gebunden seien.
Peking hat heuer eine besonders hochrangige Delegation nach München entsandt. Geleitet wird sie vom Chefaußenpolitiker der Kommunistischen Partei, Yang Jiechi. Er soll am Rande der Konferenz mit US-Vizepräsident Pence für Beratungen zusammentreffen.
Nicht nach München kommt hingegen der saudische Staatssekretär Adel al-Jubair. Das bestätigte ein Sprecher der Konferenz am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Eine Begründung für die Absage gab es nicht. Al-Jubair war ursprünglich für Sonntag als einer der Hauptredner neben dem israelischen Benjamin Netanyahu und dem iranischen Außenminister Mohammed Jawad Zarif eingeplant. Netanyahu hat ebenfalls abgesagt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2019)