USA und Russland in München: Diplomatie ohne Samthandschuhe

US-Vizepräsident Mike Pence verteidigte bei seinem Auftritt in München den harten Kurs der amerikanischen Regierung.
US-Vizepräsident Mike Pence verteidigte bei seinem Auftritt in München den harten Kurs der amerikanischen Regierung.(c) APA/AFP/THOMAS KIENZLE
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Bei der Münchner Sicherheitskonferenz kritisierte Russlands Außenminister die Politik des Westens: Europa habe sich in „sinnlose Rivalität“ mit Moskau hineinziehen lassen. Der US-Vizepräsident nahm Irans Regime aufs Korn.

Es war das Treffen der ganz Großen, die Konfrontation der Giganten: Die USA, Russland und China stiegen am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz in den Ring, um vor etwa drei Dutzend Staats- und Regierungschefs und zahlreichen Ministern ihre Interessen in den großen internationalen Fragen darzulegen. Jede Seite trug – mit mehr oder weniger diplomatischen Formulierungen – ihre Ideen vor. Und angesichts der Spannungen zwischen Washington und Moskau rund um den INF-Abrüstungsvertrag hätte der Schlagabtausch noch weit heftiger ausfallen können.

„Die Lage ist sehr angespannt, es gibt neue Brüche“, sagte der russische Außenminister, Sergej Lawrow. Und mit seiner sonoren Stimme beklagte Wladimir Putins Langzeit-Chefdiplomat die westliche Politik der vergangenen Jahre. Ob die Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien im Kosovokrieg vor 20 Jahren, die spätere Anerkennung des Kosovo als eigenen Staat, der – wie Lawrow es nannte – „Militärputsch“ in Kiew oder die Stationierung von US-Abwehrraketen in Europa: Das alles seien Glieder derselben Kette. Aus den guten Vorsätzen zum Bau eines gemeinsamen Europas sei hingegen nichts geworden, donnerte Lawrow. Vielmehr hätten sich die Europäer in eine „sinnlose Rivalität“ mit Russland hineinziehen lassen.

„Sie schreiben, was Sie wollen.“ Ganz nebenbei stellte Lawrow mit dem ihm eigenen zynischen Humor fest, dass man den britschen Verteidigungsminister Gavin Williamson eigentlich „Kriegsminister“ nennen sollte. Williamson hatte am Freitag in München scharfe Worte für Russlands Führung gefunden. Und auf die Frage eines Journalisten, was Moskau tun werde, um sicherzustellen, dass Syriens Regime nicht länger die Region bedrohe, sagte Lawrow lakonisch: „Egal welche Antwort ich gebe, Sie schreiben sowieso, was sie wollen.“ Und gab keine weitere Antwort.

Hinter den Kulissen wurde in München versucht, mit Russland doch noch Wege zur Rettung des INF-Abkommens zu finden. Der Abrüstungsvertrag zwischen Moskau und Washington aus dem Jahr 1987 sieht ein Verbot aller landgestützten atomaren Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern vor. Die Nato wirft Russland vor, mit dem Marschflugkörper 9M729 (Nato-Bezeichnung SSC-8) seit Jahren dagegen zu verstoßen. Die USA und danach Russland haben nun den Ausstieg aus dem Vertrag angekündigt.

China lehnt ab. Washington will nicht nur wegen Russlands neuem Marschflugkörper aus dem Abkommen aussteigen. Die US-Regierung kritisiert auch, dass aufstrebende Atommächte wie China nicht daran gebunden seien. Deutschlands Bundeskanzlerin, Angela Merkel, brachte deshalb bei ihrem Vortrag in München die Idee ins Spiel, auch Peking in einen Vertrag über ein Verbot derartiger Waffen miteinzubeziehen. Der Vertreter Chinas lehnte jedoch freundlich, aber bestimmt ab: Der INF-Vertrag habe der Welt gute Dienste geleistet und er hoffe, dass die USA und Russland dazu zurückkehrten, sagte Yang Jiechi, der Chef-Außenpolitiker der Kommunistischen Partei, der die chinesische Delegation in München anführte. „China entwickelt seine Fähigkeiten weiter, aber wir stellen keine Bedrohung für andere dar“, sagte er. Deshalb sei er gegen eine Multilateralisierung des INF-Vertrages.

US-Vizepräsident Mike Pence verteidigte bei seinem Auftritt in München den harten Kurs der amerikanischen Regierung: Washington sei aus dem INF-Vertrag ausgestiegen, nachdem Russland dieses Abkommen „lange Zeit verletzt“ habe. Die Regierung Donald Trumps habe Moskau zur Verantwortung gezogen – auch, indem etwa Rüstungsgüter an die Ukraine freigegeben worden seien.

Pence lobte den Druck Trumps auf die Europäer, weil diese nun größere Rüstungsanstrengungen unternehmen würden. Und zugleich ermahnte er die Verbündeten, beim Vorgehen gegen Russland den Gleichklang mit den USA zu suchen. Was Pence besonders ein Dorn im Auge ist: Das Projekt Nord Stream 2, durch das russisches Gas durch die Ostsee direkt nach Deutschland und die EU geleitet werden soll. Der US-Vizepräsident warnte die Europäer davor, sich von russischem Gas abhängig zu machen. „Wir können die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn unsere Bündnispartner sich vom Osten abhängig machen.“

„Iran befürwortet neuen Holocaust.“ Ein wichtiges Thema der Münchner Sicherheitskonferenz ist auch der Umgang mit dem Iran. Der iranische Außenminister, Mohammed Zarif, soll heute, Sonntag, in München das Wort ergreifen. Der US-Vizepräsident ritt zuvor am Samstag harte verbale Attacken gegen das Regime in Teheran. „Der Iran ist ein führender staatlicher Unterstützer des weltweiten Terrors“, sagte Pence und verwies auf Hilfe aus Teheran für die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah und die palästinensische Hamas im Gazastreifen. „Das iranische Regime befürwortet offen einen weiteren Holocaust. Es hat die Mission, Israel von der Landkarte zu löschen.“ Und wie schon vor einigen Tagen in Warschau forderte er die Europäer erneut dazu auf, aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen – so wie das die USA getan haben.

Deutschlands Kanzlerin widersprach Pence: Das Atomabkommen mit Teheran müsse beibehalten werden – und sei es als „kleiner Anker“, um auf anderen Gebieten Druck zu machen. Und auch die Kontakte zu Russland dürfe man nicht kappen: „Sonst überlässt man die Zusammenarbeit mit Moskau ganz China.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2019)

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