Hundeführschein: Politiker mussten nachsitzen

(c) APN (Matthias Rietschel)
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In einer Sondersitzung wurde der Führschein für Kampfhunde offiziell beschlossen - und über türkische Schulen diskutiert. Häupl: "Ich habe nie gefordert, dass türkische Schulen errichtet werden.“

WIEN. Auch Politiker müssen nachsitzen – wenn sie ihre Arbeit nicht ordentlich erledigen: Diese Erkenntnis, die zahlreiche Schüler freuen dürfte, manifestierte sich am Montag. Die Abgeordneten aller Parteien mussten zu einer außerplanmäßigen Sondersitzung des Landtages antreten, um sich nochmals mit dem Wiener Kampfhundeführschein zu beschäftigen – nachdem das Gesetz in der vergangenen Sitzung nicht beschlossen wurde.

Hintergrund war der Boykott von ÖVP, FPÖ und Grünen, die in seltener Eintracht das Gesetz blockiert hatten (es braucht bei der ersten Lesung eine Zweidrittelmehrheit) – womit nun eine ungeplante Sondersitzung notwendig wurde. Jetzt, am Montag, genügte (in der zweiten Lesung) die absolute SP-Mehrheit, um das Gesetz zu beschließen. Damit ist offiziell: Der Kampfhundeführschein kann doch, wie geplant, am 1. Juli in Kraft treten. Die Kosten für die Prüfung betragen 25 Euro; die Liste der (aktuell) 13 Kampfhunderassen könnte mittelfristig um Schäferhund, Dobermann und Dogge erweitert werden, erklärte Umweltstadträtin Ulli Sima.

T-Shirts gegen „Rassenhass“

Dass Nachsitzen nicht die Laune hebt (weder bei Schülern noch bei Politikern), zeigte die konfliktreiche Sitzung am Montag: FP-Mandatare wetterten gegen die „Diskriminierung von Hunderassen“, zogen plötzlich T-Shirts mit der Aufschrift „Stoppt den Rassenhass“ heraus und kündigten nochmals eine Verfassungsklage gegen das Gesetz an. Die Grünen mischten kräftig mit und forderten (wie die FP) vehement einen Führschein für alle Hunde. Der nichtamtsführende VP-Stadtrat Norbert Walter griff Sima direkt an: „Es gibt keine Kampfhunde. Nur einen dilettantischen Gesetzesbeschluss.“

Angesichts der geballten Schwarz-Blau-Grünen Phalanx holte die SPÖ zum Gegenschlag aus: Während Sima von einer „neuerlichen Verbrüderung von Grün, Blau und Schwarz“ sprach, malte SP-Landesparteisekretär Christian Deutsch eine Schwarz-Blau-Grüne Koalition nach der Wien-Wahl am 10. Oktober an die Wand – als „Motivation“ für jene Funktionäre, die als Wahlkämpfer für die absolute SPÖ-Mehrheit laufen sollen: „FPÖ-Klubchef Eduard Schock hat endgültig klar gestellt: Die Wiener Opposition hat nur ein Ziel, sie will durch Packelei einen sozialdemokratischen Bürgermeister verhindern!“ Nachsatz: „Die drei Parteien arbeiten gemeinsam daran, das sozialdemokratische Wien zu zerstören.“

„Lernt Deutsch“

Was die SPÖ am Montag besonders erzürnte: Die Grünen nutzten den Sonderlandtag zum Thema „Hundeführschein“ als Plattform, um auch über Kinderarmut im sozialdemokratischen Wien zu diskutieren. „In Wien ist die Armutsgefährdung von Kindern um 70 Prozent höher als in den Bundesländern“, kritisierte David Ellensohn. Auch die FPÖ griff Bürgermeister Michael Häupl an. Dieser antwortete auf FP-Vorwürfe, er sei vom türkischen Botschafter unter Druck gesetzt worden um türkische Schulen in Wien zu ermöglichen: „Ich habe nie gefordert, dass türkische Schulen errichtet werden.“ Dann bezeichnete Häupl türkische Schulen gar als „Maßnahmen zur Desintegration“. Die Botschaft an die Zuwanderer sei vielmehr gewesen: „Lernt Deutsch!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2010)

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