Acht Monate nach ihrer Hochzeit traf Außenministerin Kneissl im Kreml überraschend Russlands Präsidenten. Davor hatte sie mit ihrem Amtskollegen Sergej Lawrow den Auftakt für ein neues Dialogprojekt gesetzt.
Moskau. Vor ihrer Abreise nach Moskau hat die Außenministerin gescherzt, dass sie womöglich wieder mit ihrem Hochzeitsgast Wladimir Putin tanzen werde: „Er ist wirklich ein guter Tänzer.“ Getanzt hat Karin Kneissl am Dienstag mit dem russischen Präsidenten wohl nicht. Getroffen aber hat sie ihn. Die beiden hatten im Kreml einen „inoffiziellen Gesprächstermin“, wie es auf Nachfrage der „Presse“ hieß. Für die mitreisenden Berichterstatter kam das circa einstündige Treffen überraschend. Im Programm war lediglich von einer „Kreml-Führung“ die Rede gewesen. Selbst Journalisten aus dem Kreml-Pool wussten nicht Bescheid. Im Anschluss an ihre Begegnung mit Putin flog Kneissl nach Wien zurück.
Russisches Tuch als Signal
Verständigung war das Leitthema ihrer Visite in Moskau gewesen. Gleich nach der Ankunft am Montag besuchte die Tierfreundin das Bulgakow-Museum und kraulte dem dort residierenden Kater Behemoth (einer Figur aus Mihail Bulgakows Roman „Der Meister und Margarita“) den Hals. Mit einem russischen Wolltuch mit buntem Blumendruck um die Schultern begrüßte Kneissl schließlich Sergej Lawrow.
Die Vertiefung der bilateralen Beziehungen in Kultur und Wirtschaft verfolgt auch eine Initiative, die Kneissl und Lawrow aus der Taufe hoben. Der Sotschi-Dialog ist eine Gesprächsplattform, die künftig jährlich wechselnd in beiden Ländern tagen soll. Das erste Treffen wird noch in diesem Jahr in Sotschi stattfinden – anlässlich der Visite des Bundespräsidenten bei Putin im Mai. Genannt wurden die Namen der Arbeitsgruppenleiter auf österreichischer Seite: die Präsidentin der Salzburger Festspiele, Helga Rabl-Stadler, der Unternehmer Hannes Androsch, der Vizepräsident der Industriellenvereinigung, Hubert Bertsch, die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, Sabine Haag, der österreichische Historiker Stefan Karner, WKO-Chef Karlheinz Kopf, Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter und der Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft, Richard Schenz und der ehemalige Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger.
Gelöste Atmosphäre
Kneissl verwehrte sich gegen Kritik, das Ganze sei eine recht staatsnahe – und wenig zivilgesellschaftliche – Veranstaltung. „Diese Personen können einladen, wen sie möchten.“ Anlässlich der Unterzeichnung kritisierte sie die „vorherrschende Sprachlosigkeit“ in den internationalen Beziehungen. Es gebe zu viele Monologe statt Dialoge.
Ihr russischer Kollege konnte da nicht anders, als zuzustimmen. Die Atmosphäre zwischen den beiden Chefdiplomaten war ungleich gelöster als beim ersten Treffen der beiden im vergangenen April. Damals hatte Lawrow einen Vermittlungsvorschlag Kneissls zur Syrien-Krise brüsk zurückgewiesen. Dieses Mal nannte er sie amikal „Karin“.
Nur bei einem Thema war man sich uneins, und zwar bei dem Spionagefall im Bundesheer, den die Regierung im November 2018 öffentlich gemacht hatte. Lawrow sprach damals verärgert über die „Megafondiplomatie“. Ein mittlerweile pensionierter Salzburger Ex-Offizier (70) soll 20 Jahre für Moskau spioniert haben. Seine Untersuchungshaft wurde vergangene Woche verlängert.
„Gerichtliche Aufklärung“
Kneissl sagte, Wien sei an einer „umfassenden gerichtlichen Aufklärung interessiert“. Der Fall belaste das Verhältnis aber nicht mehr: Aufklärung und Atmosphäre könne man trennen. Lawrow geißelt das Vorgehen Wiens: Man hätte Moskau über die dafür bestimmten Kanäle um Auskunft bitten sollen, anstatt an die Öffentlichkeit zu gehen. „Ich bin überzeugt, jeder Beruf hat sein Genre“, parierte er Kneissls Aussage. „Und diese Genres dürfen nicht vermischt werden, das bringt keine guten Ergebnisse.“
Austausch gab es über Energiefragen, den INF-Vertrag und die Ukraine. Kneissl kritisierte die „illegale Haft“ der Ukrainer Oleg Senzow und Wolodymyr Baluch – Lawrow verzog keine Miene. In Syrien will Kneissl mit einer Entminungsinitiative Flüchtlingen die Rückkehr erleichtern. Lawrow sagte ihr Moskaus Unterstützung zu.
Der Sotschi Dialog soll bilaterale Kontakte zwischen der Zivilgesellschaft in Wissenschaft, Bildung und Kunst fördern. Ein Personenkomitee auf beiden Seiten soll dafür sorgen. Ko-Vorsitzender auf österreichischer Seite ist Ex-Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und auf russischer der ehemalige Bildungsminister und Kreml-Berater Andrej Fursenko.
Für Österreich sonst vertreten sind: Die Präsidenten der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler, der Unternehmer Hannes Androsch, der stellvertretende Präsident der Industriellen Vereinigung Hubert Bertsch, die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums Sabine Haag, der österreichische Historiker Stefan Karner, WKO-Chef Karlheinz Kopf, der ehemalige Justizminister Wolfgang Brandstetter, der Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft Richard Schenz und der ehemalige Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger.