General Khalifa Haftar marschiert auf die Hauptstadt Tripolis zu. Die international anerkannte Regierung startet eine Gegenoffensive. Die USA ziehen Soldaten wegen der unsicheren Lage ab.
Libyen steuert trotz internationaler Aufrufe zu einem Ende der Gewalt weiter auf einen neuen Bürgerkrieg zu. Die international anerkannte Regierung von Fayez al-Sarraj konkurriert seit langem mit einer zweiten Regierung in Ostlibyen, die mit dem General Khalifa Haftar verbunden ist. Dessen Truppen marschieren seit Donnerstag auf Tripolis zu. Haftar will die Hauptstadt einnehmen und das ölreiche Krisenland unter seine Führung bringen. Die regierungstreuen Truppen starteten allerdings eine Gegenoffensive unter dem Titel "Vulkan der Wut". Ziel sei es, alle Städte von "unrechtmäßigen Kämpfern" zu befreien, sagte ihr Sprecher Mohammed Gnunu.
Die Situation in Tripolis ist am Sonntag eskaliert. Bei den jüngsten Kämpfen sind nach Regierungsangaben mindestens 35 Menschen getötet worden. 50 weitere Menschen seien seit Beginn der Offensive von General Haftar verletzt worden, sagte Gesundheitsminister Ahmed Omar am Sonntagabend in einer Fernsehansprache. Unter den Opfern befänden sich auch Zivilisten.
Die Vertretung der Vereinten Nationen in Libyen rief für Sonntagnachmittag zu einer zweistündigen Waffenruhe in den Kampfgebieten südlich der Stadt auf. Nur so könnten Rettungskräfte und der Rote Halbmond Verletzte und Zivilisten in Sicherheit bringen. Doch dazu kam es nicht. "Es hat keine Waffenruhe gegeben", sagte ein Sprecher der UN-Mission in Libyen, Jean Alam, der Nachrichtenagentur AFP. "Aber wir hoffen weiter auf eine positive Antwort der Konfliktparteien."
USA ziehen Soldaten ab und fordern Stopp der Kämpfe
Wegen der unsicheren Lage zog das US-Militär nach eigenen Angaben Soldaten aus Libyen ab. Das Afrikakommando der US-Streitkräfte teilte am Sonntag mit, ein Kontingent von Soldaten sei aufgrund der Unruhen vorübergehend aus dem Land abgezogen worden.
Die Sicherheitsbedingungen vor Ort seien zunehmend unvorhersehbar, erklärte Kommandant Thomas Waldhauser. Man beobachte die Lage weiter. Um wie viele Soldaten es sich handelt und wohin sie verlegt wurden, erklärte er nicht.
Auch politisch meldeten sich die USA zu Wort. Sie forderten den libyschen General Khalifa Haftar auf, die militärische Offensive unverzüglich zu stoppen. US-Außenminister Mike Pompeo erklärte am Sonntag (Ortszeit), die USA seien wegen der Kämpfe sehr besorgt.
Alle beteiligten Parteien seien dafür verantwortlich, die Lage dringend zu deeskalieren, wie der UN-Sicherheitsrat und die G-7-Minister am 5. April betont hätten. "Diese einseitige Militäraktion gegen Tripolis gefährdet Zivilisten und untergräbt die Aussichten auf eine bessere Zukunft für alle Libyer", erklärte Pompeo. Für den Konflikt gebe es keine militärische Lösung. Eine politische Lösung sei der einzige Weg, um das Land zu vereinen.
Doch die gestaltet sich schwierig. Denn Russland hat im UN-Sicherheitsrat eine Erklärung zu Libyen blockiert, in der ein Ende des Vormarsches der Truppen von General Haftar gefordert werden sollte. Moskau pochte nach Diplomatenangaben vom Sonntag darauf, dass alle Konfliktparteien zu einem Ende der Kämpfe aufgerufen werden. Die USA lehnten eine solche Änderung am Text aber ab.
EU fordert neue Verhandlungen
Die EU forderte ihrerseits ein Ende der Militäraktionen in Libyen und die Umsetzung eines humanitären Waffenstillstands. Die Situation in Libyen sei "zunehmend beunruhigend", betonte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montag in Luxemburg vor den Beratungen der EU-Außenminister. Die Europäer seien geeint und wollten eine militärische Eskalation vermeiden. Die Europäische Union verlange eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.
Für Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) zeigt die Offensive des abtrünnigen libyschen Generals Khalifa Haftar auf Tripolis, dass dieser keineswegs abzuschreiben sei. "Totgesagte leben länger", so Kneissl am Montag.
"Wir müssen jetzt alles horten"
Einwohner von Tripolis richteten sich auf einen längeren Kampf um die Stadt ein. An Tankstellen und Supermärkten bildeten sich Schlangen. "Wir müssen jetzt alles horten, was man braucht", sagte eine Frau in einem Supermarkt in der Hauptstadt. "Man weiß ja nie, was geschieht."
Seit der Militärintervention der Nato in Libyen und dem Sturz des Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht in dem nordafrikanischen Land Chaos. Die Regierung in Tripolis ist schwach und hat weite Teile des Landes nicht unter Kontrolle. Das ölreiche Libyen ist ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge, die Europa erreichen wollen. Gegner Haftars werfen dem 75-Jährigen vor, er wolle sich als neuer Diktator in Libyen etablieren.
Haftar unterstützt mit seinen Truppen eine Gegenregierung, die im Osten Libyens herrscht. Ihm war es in der Vergangenheit gelungen, mit einer Reihe erfolgreicher Militäreinsätze den Osten und große Teile des Südens Libyens unter seine Kontrolle zu bringen. Experten halten es aber für möglich, dass er sich nun mit der Offensive auf Tripolis übernimmt.
Trotz der Kämpfe will die UNO nach eigenen Angaben an einer für Mitte April geplanten Allparteienkonferenz festhalten. Zu ihr werden in der Stadt Ghadames mehr als hundert Delegierte erwartet, die Termine für Parlaments- und Präsidentschaftswahlen festlegen sollen.
(APA/AFP)