Ribiseln: Asche auf das falsche Haupt

Aus der Beere wird ein köstlicher Likör – wenn denn der Strauch richtig gepflegt wird.
Aus der Beere wird ein köstlicher Likör – wenn denn der Strauch richtig gepflegt wird.(c) Ute Woltron
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Die Ribiseln mögen Kalium, doch wer ihnen des Guten zu viel tut, wird mit Wachstumsstörungen und Missernten bestraft und darf zwei Jahre lang keinen Cassis trinken.

Die Crème de Cassis ist aus, und ich allein bin schuld daran. Es liegt jedoch nicht etwa an übermäßigem Konsum des Likörs aus schwarzen Johannisbeeren, hierin hat man Maß zu halten. Der Grund dafür liegt länger zurück und ist in meiner übergroßen Fürsorge begründet, die, sozusagen nach hinten losgegangen, die Johannisbeersträucher erst fast umgebracht hätte und sie schließlich volle zwei Jahre in Schockstarre versetzte.

Keine schwarzen Ribiseln, kein Cassis. Die Sträucher waren so parterre, weil ich es mit dem Düngen zu gut gemeint hatte. Schwarze Johannisbeeren brauchen, wie Himbeeren, Kalium, um zu gedeihen und gut zu fruchten, und davon gibt es im hiesigen kalkig-lehmigen Boden nicht genug. Kluge Leute schaffen Abhilfe, indem sie Holzasche aufbringen. Ganz vorsichtig. Diese fällt im Winter reichlich an, deshalb war ich nicht sparsam damit. Ein nachhaltiger Fehler.

Dünn wie Staubzucker muss die Holzasche gestreut werden, um ihre segensreiche Düngewirkung zu entfalten. Besonders Vorsichtige mischen sie sogar fein dosiert ins Gießwasser, dann kann gar nichts passieren. Unvorsichtige, man könnte an dieser Stelle auch deftigere Benennungen strapazieren, gehen im Schneesturm mit der vollen Aschenlade in den Garten und leeren sie aus. Doch das tut man nur ein Mal.

Die Johannisbeeren vertrugen den Ascheschock so schlecht, dass sie fast eingingen. Sie taten sich mit dem Wachsen so schwer, dass sie sich um Blüten und Beeren gar nicht kümmerten. Sie rangen sichtlich ums Überleben, mit verkrüppelt wachsenden Neutrieben und fahlem Laub.

Schock durch Zuwendung. Die Himbeeren benötigten ebenfalls zwei gute Jahre, um sich von der Zuwendung zu erholen. Zum Glück war bis zu den Brombeeren die Aschenlade leer, sonst hätte ich diese auch noch erledigt. Ich schreibe das alles nicht gern, aber auch Fehler müssen eingestanden werden. Aus ihnen lernt man ja bekanntlich.

In der sonstigen Johannisbeerpflege bin ich aber gut. Das Schneiden der Sträucher erfolgt im Fall der roten, weißen und rosa Ribiseln am besten gleich nach der Ernte im Juni, Juli. Da sie an den zweijährigen Ästen tragen, sollten zwei, drei der ältesten Triebe bodennah herausgeschnitten werden. Von neuen Bodentrieben lässt man wiederum zwei, drei der kräftigsten stehen, die schwächeren werden ausgerissen. Schwarze Johannisbeeren brauchen eine andere Schnittmethode, sie tragen Früchte an den einjährigen Seitentrieben. Die ältesten Triebe kommen, wie im Fall der anderen Ribiseln, bodennah raus. Die stärksten Triebe, von denen man sich Ernte erhofft, werden im Frühjahr knapp über dem zweiten oder dritten Seitentrieb gekappt.

Wenn dann noch eine Schicht Mulch über die Wurzelzone kommt, der Boden gleichmäßig feucht gehalten wird und uns Spätfröste verschonen, brauchen Sie nur noch einen Nylonstrumpf, einen Liter Wodka, 800 Gramm Kristallzucker sowie eine Gewürznelke und eine Zimtstange. Denn jetzt geht es um die Sache, wir setzen den Likör an, der seinerzeit in der Gegend von Dijon erfunden wurde.

Zweigen Sie von Ihren gut gepflegten, holzaschebefreiten Sträuchern ein Kilo gut ausgereifter Früchte ab. Entstielt und mit einer Gabel leicht zerdrückt wandern sie in ein großes Glasgefäß. Da Sie sowieso gerade aus dem Garten herbeigeeilt kommen, weil Johannisbeeren mit jeder Minute nach der Ernte an Aroma verlieren und idealerweise sofort verarbeitet werden, bringen Sie gleich ein Dutzend junge Triebspitzen der Johannisbeersträucher mit. Jetzt kommen diese und alle genannten Zutaten zu den Beeren – bis auf den Nylonstrumpf , versteht sich.

Umrühren, mit nassem Zellophan verschließen und, sobald die Folie getrocknet ist, mit einer Nähnadel ein Löchlein stechen. Das Glas kommt auf eine sonnige Fensterbank, wird gelegentlich in kreisenden Bewegungen durchgerührt, nach vier bis sechs Wochen hat sich die Prozedur vom Setzen der Sträucher über das Düngen und Schneiden gelohnt. Sie können nun einen frischen Weißwein einkühlen, oder gleich eine Flasche Champagner.

Köstliche Aromen für den Wein. Zuvor allerdings brauchen wir noch kurz den Strumpf. Erst wird der gesamte Inhalt des Glases durch ein normales Sieb gegossen, dann erfolgt das Feinseihen mittels eines mit dem Nylonsöckchen ausgekleideten Spitzsiebs. Jetzt kann eingeschenkt werden, schon ein Hauch Ihres Likörs, nie zu viel, jagt köstliches Johannisbeeraroma durch Wein und Champagner. Pur schmeckt er übrigens auch gut, wenn kein flüssiger Trägerstoff zur Hand ist.

Lexikon

Ribes. Die Johannisbeere, Ribes, gehört zur Familie der Stachelbeergewächse und ist in Europa heimisch. Sie ist unkompliziert zu kultivieren, nur manche Sorten neigen zu Mehltau.
Sorten. Bewährte Sorten sind beispielsweise die rote „Jonkheer van Tets“, die schwarze „Titania“, die „Weiße Versailler“, doch auch neuere Züchtungen sind vielversprechend und zudem mehltauresistent.

Cassis. Zum Ansetzen des Likörs können auch Grappa oder Korn zum Einsatz kommen, alles eine Frage des Geschmacks, nur lagern Sie ihn, wenn er fertig ist, dunkel und gut verschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2019)

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