Herzl als Literat: „Dass ich ein Schriftsteller von grosser Race bin“

Als Verfasser von Lustspielen ist der Begründer des Zionismus heute ganz vergessen. Dabei war Theodor Herzls größter Traum nicht ein jüdischer Staat, sondern eine Karriere als Dichter.

Manche Berühmtheiten leiden darunter, nicht für das berühmt zu sein, was sie an sich selbst besonders rühmenswert finden. Theodor Herzl etwa träumte lange davon, ein großer Schriftsteller zu werden.

In der Judenfrage, in der er „geistig fast nichts geleistet habe, sondern nur eine mittlere, jedem Rosskamm erreichbare politische Geschicklichkeit entfaltete“, sei er weltberühmt geworden, notiert er 1902 recht bitter. Als Schriftsteller dagegen „gelte ich nichts, weniger als nichts... Obwohl ich fühle, weiß, dass ich ein Schriftsteller von grosser Race bin oder war, der nur sein volles Mass nicht gegeben hat, weil er angeekelt u. entmutigt wurde“.

Mit Schnitzler vor der Burg

Zwei Jahrzehnte lang hat sich Herzl bemüht, mit Lustspielen voller leichtlebiger Bürger und Adeliger am Theater Fuß zu fassen, 19 Stücke veröffentlichte er bis 1904. „Da komm ich einmal hinein!“, habe er als junger Mann mit „bescheiden eroberndem Blick“ zum im Bau befindlichen Burgtheater gesagt, erinnert sich Arthur Schnitzler. Das tut er dann auch, aber mit mäßigem Erfolg.

Die „Wilddiebe“ über die amourösen Abenteuer dreier Männer in einem Ostender Hotel werden zwischen 1889 und 1904 immerhin 57 Mal aufgeführt, vier weitere Stücke nur wenige Male gespielt. Über deren letztes liest man in Herzls Tagebuch: „Gestern hat man mich im Burgtheater bei der Premiere von ,I love you‘ wieder einmal meinen Zionismus entgelten lassen. Zum Schluss des harmlosen Stückes wurde stark gezischt, was offenbar nicht durch das anspruchslose Lustspiel verschuldet sein konnte. Vom Zionismus darf ich nicht leben, von der Literatur soll ich auch nicht leben. Ein Problem.“ – Nachdem er 1896 sein Buch „Der Judenstaat“ veröffentlicht hatte, hatte es der Dramatiker Herzl tatsächlich noch schwerer als bisher. Eines seiner Stücke, „Das neue Ghetto“, ist auch politisch brisant: Er lässt darin sowohl einen skrupellosen jüdischen Unternehmer als auch einen antisemitischen christlichen Rittmeister auftreten, was den meisten Theatern zu heikel ist; man fürchtet sowohl jüdische als auch christliche Reaktionen.

„Tel Aviv“ – ein Romantitel

Bei allen politischen Widrigkeiten – einen genialen Theaterautor hat die Welt an Herzl dennoch nicht verloren. Seine Stücke über bürgerliche Verwicklungen wirken seltsam anachronistisch im Vergleich etwa zu dem Zeitgenossen Arthur Schnitzler, der damals mit Stücken wie „Liebelei“ und „Reigen“ das Wiener Bürgertum aufregte.

Herzls Zionismus hat übrigens seinen schriftstellerischen Erfolg nicht immer behindert, im Einzelfall sogar gefördert: nämlich dort, wo Herzl literarisch die „Judenfrage“ behandelt. Seinen zionistischen Roman „Altneuland“, ein „Märchen kommender Zeiten“, schrieb er um die Jahrhundertwende. „Altneuland“ ist der in einen Roman gegossene „Judenstaat“, in der hebräischen Übersetzung hieß er „Tel Aviv“, „Frühlingshügel“. So war es Herzl als Romanautor immerhin vergönnt, einer wunderbaren Stadt den Namen zu geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2010)

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