Großbritannien: Die Diplomatie der leisen Töne

US-Präsident Donald Trump und die britische Premierministerin Theresa May im St. James's Palace in London.
US-Präsident Donald Trump und die britische Premierministerin Theresa May im St. James's Palace in London.(c) REUTERS (CARLOS BARRIA)
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Während US-Präsident Trump großspurig seinen Staatsbesuch feiert, wirbt London mit sanften Signalen um US-Bündnistreue.

London.  Der einstige britische Premierminister Harold Macmillan schrieb Ende der 1950er-Jahre: „Die Amerikaner sind das neue Rom, und wir Briten, wie einst die alten Griechen, müssen ihnen zeigen, wie man so ein Imperium führt.“ Während des Staatsbesuchs von US-Präsident Donald Trump in London ließ es das britische Establishment nicht an Versuchen fehlen, der Empfehlung des konservativen Politikers nachzukommen. So überreichte Premierministerin Theresa May gestern, Dienstag, ihrem Besucher eine gerahmte Abschrift des Entwurfs der Atlantikcharta zwischen den beiden Staaten aus dem Jahr 1941.

Darin legten der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premier Winston Churchill nicht nur das Bündnis im Kampf gegen Hitler-Deutschland fest, sondern skizzierten auch Grundlagen einer dauerhaften und institutionellen Zusammenarbeit.

Die Charta wird als Geburtsstunde der Vereinten Nationen gesehen – eine jener internationalen Institutionen, die Trump mit seiner Doktrin des „Make America Great Again“ instinktiv ablehnt. Malcolm Chamber vom Think Tank Royal United Services Institute meinte über das Geschenk Mays: „Es war eine passende Erinnerung an die Schlüsselrolle, die Großbritannien und die USA bei der Schaffung der Nachkriegsordnung gespielt haben.“

Vor der Premierministerin hatte bereits Queen Elizabeth ihren Toast beim Staatsbankett am Montagabend genutzt, um eine ähnlich subtile, wenn auch klare Botschaft zu übermitteln: „Wir haben nach dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam internationale Institutionen geschaffen, um sicherzustellen, das sich die Schrecken eines Kriegs nicht wiederholen“, sagte sie. Trump sprach in seiner Replik lediglich von „den gemeinsamen Werten, die uns vereinen“.

Trump verspricht Vertrag

Obwohl Londons Führung für den Gast aus Washington den roten Teppich ausgerollt hatte, waren die Differenzen nicht zu übersehen. Auch nach dem Brexit will sich Großbritannien nicht von der Weltbühne und der internationalen Zusammenarbeit zurückziehen. Ob die britische Hochdiplomatie in Donald Trump den richtigen Empfänger gefunden hat, bleibt abzuwarten. Auf die Anspielungen reagierte der US-Präsident nicht. Aber vom Pomp und Zeremoniell des Staatsbesuchs zeigte er sich erfreut und beeindruckt: „Der Besuch verläuft sehr, sehr gut“, meldete er über Twitter. „Die königliche Familie war fantastisch“.

Derart in Euphorie versetzt versprach er den Briten bei einem Frühstück mit Regierungs- und Wirtschaftsvertretern nicht nur einen „sehr, sehr substanziellen Handelsvertrag.“ Er fordert scheinbar auch Premierministerin May auf, das Abkommen mit ihm gemeinsam durchzubringen: „Bleiben Sie. Lassen Sie uns einen Deal machen“, sagte er. Das wird knapp: May tritt am Freitag zurück.

Bei aller Jovialität, die Trump gegenüber May zeigte, war in London eine gewisse Irritation nicht zu übersehen, dass der US-Präsident „mit mindestens einem Auge bereits über seine Schulter schaute“, wie es ein Diplomat formulierte.

Trump wollte sich noch Dienstagabend mit Umweltminister Michael Gove treffen, bereits untertags telefonierte er mit Ex-Außenminister Boris Johnson. Beide sind im Rennen um Mays Nachfolge. Gute Miene zum bösen Spiel machend, sagte May in der Pressekonferenz mit Trump: „Wir sind vereinigt in unseren Zielen“. Trump sprach mit Blick auf die Landung in der Normandie, deren 75. Jahrestag heute begangen wird, „von dem größten Bündnis aller Zeiten“.

„Vorbild extremer Rechten“

Weniger freundliche Worte fanden seine Gegner. Zehntausende Menschen versammelten sich trotz Regens vor dem Parlament in London, um gegen den US-Präsidenten zu demonstrieren. Bürgermeister Sadiq Khan setzte seinen Schlagabtausch mit Trump fort und bezeichnete ihn als „Vorbild der extremen Rechten“. Labour-Chef Jeremy Corbyn appellierte an Trump: „Denken Sie an den Frieden in der Welt.“ Trump wollte von der Kundgebung nichts bemerkt haben: „Wo waren die Proteste? Ich habe nichts davon gesehen.“

In Macmillans Schreiben heißt es übrigens noch: „Sie werden die Amerikaner so finden wie die Griechen die Römer betrachtet haben – große, starke, etwas vulgäre und umtriebige Leute, die kräftiger sind als wir.“

Auf einen Blick

US-Präsident Donald Trump und die britische Premierministerin Theresa May im St. James's Palace in London.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2019)

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