Fahrrad-Design: Aufputz für die Stadtrundfahrt

Aufputz fuer Stadtrundfahrt
Aufputz fuer Stadtrundfahrt(c) Clemens Fabry
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Models fahren auf dem Rad über den Laufsteg, Hochglanzmagazine verschreiben sich der Fahrradkultur. Woher kommt der Hype ums Rad?

Ein Fahrrad ist ein simples Gerät, es bringt uns von A nach B und hält uns ganz nebenbei auch noch fit. Angesichts mühsamer Verkehrsstaus und der nie enden wollenden Parkplatzsuche wäre es gerade im städtischen Raum das ideale Fortbewegungsmittel. Und trotzdem musste das Rad erst einmal auf den Berg, um auch in der Stadt wieder schick zu sein: Erst der Mountainbiketrend der 1990er-Jahren hat dem Drahtesel zu einem regelrechten Hype verholfen. Dank der sportlichen Ausführung waren Fahrräder als Freizeitgeräte plötzlich begehrt. Nun – nach ein paar Jahren der Flaute – folgt die nächste, vielleicht noch stärkere Blütezeit. Und damit haben nicht zuletzt radaffine Designer zu tun, die erkannten, dass das Rad in der Stadt wesentlich dringender benötigt wird als auf dem Berg. Und die das Fahrrad mit ihrem Design zum Lifestyleobjekt machen.


Emotionen durch Holz. Einer von ihnen ist Roland Kaufmann. Der Industriedesigner hat bereits seine Diplomarbeit vor vier Jahren einem Fahrrad aus Holz gewidmet und das Ergebnis Jano genannt. „Der Hintergrund war, ein Produkt aus einem unüblichen Werkstoff zu entwickeln. So bin ich auf Holz für das Fahrrad gekommen“, sagt Kaufmann, der heute bei GP designpartners tätig ist und gerade am Prototyp arbeitet. Im nächsten halben Jahr soll dieser zur Serienreife gebracht werden. Anschließend wird ein Hersteller gesucht oder selbst produziert. Dem Designer ging es bei seiner Arbeit vor allem um den emotionalen Charakter. „Vielen Produkten fehlt die Emotionalität. Erst dadurch werden sie aber zu Must Haves. Holz hat diesen Charakter, es bietet Platz für Emotionen.“ Dank des Holzrahmens wird jedes Stück zum Unikat. Was wiederum – Stichwort „Individualität“ – recht gut den Zeitgeist treffen dürfte. Jano ist also ein Fortbewegungsmittel für den alltäglichen Gebrauch. Nicht der sportliche Aspekt steht im Mittelpunkt, sondern das Fahrgefühl. Und das geht laut Kaufmann bei Jano in Richtung „Wellness“.


Kinderräder mit Upgrade. Auch Christian Bezdeka hat sich mit dem Fahrgefühl auseinandergesetzt. Allerdings nicht mit seinem eigenen, sondern jenem von Kindern. Der Industriedesigner arbeitet an einem neuen Kinderrad. Gemeinsam mit Martin Rösner, der den Fahrradhandel Mountainbiker betreibt, hat er soeben die Woom GmbH gegründet. „Die Mission dahinter ist, die besten Kinderräder der Welt zu bauen“, erklärt Bezdeka, der sich selbst als „radlnarrisch“ bezeichnet. Auf die Idee brachte die beiden Väter das auf dem Markt vorhandene Angebot. Das ist nämlich für die Radprofis schlicht unbefriedigend: zu schwer, zu ungelenkig und aus schlechtem Material. „Ich habe mir angeschaut, was es bräuchte, um bessere Räder zu machen, und gesehen: Das ist machbar“, sagt Bezdeka, der auch für die Fahrradhersteller Simplon und KTM tätig ist. Neben dem hohen Qualitätsanspruch – von hochwertigen Materialien über Details wie Griffe, die der Ergonomie von Kindern angepasst sind, bis zu Sicherheitsmaßnahmen – hat Woom noch eine zusätzliche Funktion. Es wächst zwar nicht direkt mit, lässt sich aber dank eines Upgradesystems umtauschen, wenn die Kinder einem Modell entwachsen sind. Der Restwert wird vom neuen Modell abgezogen. Das gebrauchte Modell wird dann nach einem Komplettservice günstig verkauft, allerdings ohne Upgradeoption. Diesen Herbst sollen die ersten Woom-Räder auf dem Markt sein.

Wandelbar. Valentin Vodev muss sich bis zur Markteinführung seines Biquattro noch ein wenig gedulden. Der Industriedesigner hat mit dem Elektrofahrrad, das vom Zweirad- in den Dreiradmodus wechseln kann, zwar bereits einige Preise gewonnen, darunter den Red Dot Concept Award 2009. Er ist allerdings noch auf Investorensuche. Vodev arbeitet derzeit am zweiten Prototyp. Interessenten gibt es bereits aus Japan und England. „Es ist immer ein langer Prozess, bis ein Produkt auf den Markt kommt. Es bräuchte ein bisschen mehr Mut bei den Herstellern“, sagt Vodev. Die Idee zu Biquattro ist aus der aktuellen Verkehrssituation entstanden. „Wir legen viel zu viele kurze Strecken mit dem Auto zurück. Ich kenn das ja von mir selbst. Ich habe dann immer ein schlechtes Gewissen“, so der Designer. Deshalb ist Biquattro nicht nur ein normales Fahrrad, sondern ein Nutzfahrzeug. Zum Einkaufen fährt man im Zweiradmodus – um die Ware dann nach Hause zu transportieren, werden die hinteren zwei Räder ausgeklappt und eine Ladefläche, die rund 150 Liter fasst, kommt zum Vorschein. Wem diese Menge zu schwer ist, der kann auf dem Heimweg auf den Elektromotor zurückgreifen. „Biquattro ist aber leichter und besser lenkbar als andere E-Bikes“, versichert Vendov.


Wie ein Raumschiff. Neben all den praktischen und alltagsbezogenen Ansätzen stellt sich die Frage: Was reizt die Designer am Fahrrad? Wo liegt die Herausforderung, dieses alte Fortbewegungsmittel neu zu erfinden? „Das Fahrrad ist perfekt. Es ist schwer, etwas hinzuzufügen, das macht den Reiz aus. Wenn man etwas falsch macht, sieht man es sofort. Das ist nicht wie bei einem Auto, wo man etwas verstecken kann. Es muss alles optimiert werden, wie bei einem Raumschiff“, sagt Vodev. Kollege Roland Kaufmann begründet seine Faszination ähnlich: „Es gibt einen starken Bezug zu den menschlichen Proportionen. Durch die ergonomischen Fixpunkte ist der Gestaltungsspielraum sehr begrenzt.“ Und: „Der Fahrradmarkt wird viel mehr mit Design in Verbindung gebracht als noch vor zehn Jahren.“ So schickte Emporio Armani bei der Menswear Fashion Week in Mailand seine Models etwa mit Fahrrädern auf den Laufsteg. Der Designer Paul Smith hat seine Affinität zum Fahrrad unter anderem mit einer Fahrradmodekollektion unter Beweis gestellt. Und auch die Blogger haben den Fahrradtrend für sich entdeckt. Der Blog Velo Vienna etwa zeigt Fotos von schönen Menschen mit ebensolchen Fahrrädern. Ähnliches kennen Blognutzer aus der Modeszene: statt des Street Fashion Blogs der Street Bike Blog also.

Raus aus der Birkenstockecke. Das Fahrrad ist also längst nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern Lifestyleprodukt. Das weiß auch Alec Hager, Chefredakteur des Radmagazins „Velosophie“, Untertitel: „Magazin für Fahrradkultur“. „Wir möchten Fahrradfahren schön und stylisch darstellen und nicht als Fortbewegungsmittel für Birkenstockträger“, erklärt Hager. In Wien gibt es – verglichen mit New York, London oder Kopenhagen – noch Aufholbedarf. „In New York sind Fixies zum Beispiel bereits Mainstream, bei uns kommt das erst schön langsam“, sagt Hager. Fixies, genauer gesagt Fixed Gear Bikes, sind Fahrräder, die aufs Wesentliche reduziert wurden und ohne Licht, Klingel, Federung, Schaltung und Bremse auskommen. Gebremst wird übrigens durch Gewichtverlagerung auf das Vorderrad oder durch einen gezielten Tritt auf die Kurbel.

Fixie-Fans schwärmen von einem eigenen Fahrgefühl. Auswirkungen hat dieser Trend nicht nur auf das (minimalistische) Design anderer Räder, sondern auch auf alte Rennräder. Die erfreuen sich wachsender Beliebtheit, wie Wolfgang Böhm weiß. Er renoviert und verkauft seit 2006 ebensolche in seinem Radlager in Wien. „Rennräder passen ja auch viel besser in die Stadt als Mountainbikes“, meint er. Dass die Zeit der Mountainbikes vorbei ist, bestätigt auch Industriedesigner Paris Maderna, der seit rund 14 Jahren unter dem Label MCS Bikes werkt: „Der Trend geht zu einfachen, wartungsfreien Fahrrädern und weg von Hightech-Mountainbikes.“ Das Fahrrad ist also nicht nur angekommen in der Stadt, es dürfte auch bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2010)

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