Bruderkrieg: Der Mord am "Roten Kommandanten"

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Die Sicherheitskräfte sind gespalten. Polizei und einige Soldaten stehen hinter Rothemden, das Gros der Armee hinter der Regierung.

Ein Checkpoint am Rand von Bangkoks umkämpfter Innenstadt. Ein Polizeioffizier bittet betont grimmig um Papiere. Er schaut auf den Presseausweis, mustert ihn ausführlich. „Journalist?“, fragt er. „Ja, auf dem Weg ins Lager der Rothemden.“ Die Miene des Polizisten hellt sich sofort auf. Er lächelt und streckt die Hand aus. „Vielen Dank!“ Auch im Rothemden-Lager im Einkaufsviertel stehen vereinzelt Polizisten. Manche von ihnen sitzen neben Demonstranten und unterhalten sich mit ihnen. Es scheint sie nicht zu stören, dass sich ihre Gesprächspartner kurz darauf zwei Straßen weiter Auseinandersetzungen mit Soldaten liefern.

Thailands Sicherheitsapparat ist zutiefst gespalten. Die Polizisten des Landes gelten, zumindest in ihrer Mehrzahl, als Sympathisanten der Rothemden. Denn deren Idol, Ex-Premier Thaksin Shinawatra, war Polizeioffizier im Norden des Landes, bevor er eine bemerkenswerte Laufbahn als Unternehmer eingeschlagen hat. Die Armee hingegen, die sich explizit als eigenständige Macht versteht, steht in diesen Tagen demonstrativ hinter der Regierung von Premier Abhisit, dem sie 2008 hinter den Kulissen an die Macht geholfen hat. Doch auch durch die Ränge der Militärs ziehen sich tiefe Risse. Das gibt dem Konflikt eine unberechenbare Dynamik.

Eine Folge dieser Spaltung des Sicherheitsapparats ist der Tod von Khattiya Sawasdipol alias „Seh Daeng“ (der „Rote Kommandant“). Der Generalmajor der thailändischen Armee ist am Montagmorgen in einem Krankenhaus in Bangkok seinen schweren Kopfverletzungen erlegen. Khattiya wurde am Donnerstag von der Kugel eines Scharfschützen niedergestreckt, als er am südlichen Rand des Rothemden-Lagers mit einem ausländischen Journalisten sprach, und ist seither im Koma gelegen. Armee und Regierung bestritten schnell, etwas mit dem tödlichen Schuss zu tun gehabt zu haben. Doch das glauben in Thailand nur wenige.

Zweckbündnis mit Kommunisten

Khattiya war eine der kontroversesten Figuren in der gegenwärtigen Auseinandersetzung. Er wurde Anfang des Jahres von seinem Posten bei der Armee suspendiert, weil er enge Kontakte zu Ex-Premier Shinawatra unterhielt. Eine Suspendierung mit Folgen, denn „Seh Daeng“ schloss sich anschließend offen den Rothemden-Demonstranten an. Deren Führung distanzierte sich aber bald von dem hitzköpfigen Offizier. Insider berichten, Khattiya habe bei der Planung der Proteste irrwitzige Ausführungen über einen bewaffneten Kampf gemacht, den er anführen wollte. Dennoch schritten die Organisatoren nicht ein, als er begann, mit einer Privatarmee das Camp der Demonstranten zu sichern und Barrikaden aus Reifen und Bambusspeeren zu errichten.

Khattiya war in Thailand ein Volksheld. In den 1970er-Jahren kämpfte er im Dschungel Nordost-Thailands erfolgreich mit seinen Kommandoeinheiten gegen kommunistische Rebellen und tötete etliche von ihnen. Daher ist es eine von unzähligen Ironien in Thailands Politik, dass sich der ehemalige Kommunistenjäger in der Rothemden-Bewegung in einem Zweckbündnis mit Leuten wie Weng Tojirakarn wiederfand, einem ehemaligen kommunistischen Guerillero, heute einer der Anführer der Proteste. Menschen, die mit ihm gesprochen hatten, bezeichneten Khattiya als „sehr, sehr exzentrisch“. Andere erklärten ihn glattweg für verrückt.

In seinem letzten Gespräch mit Journalisten antwortete Khattiya auf die Frage, ob er irgendetwas über die mehr als 40 kleineren Anschläge in Bangkok wisse, mit denen die Proteste begonnen haben: „Mich hat niemand gesehen!“ Dann deutete er an, das Protestcamp existiere nur noch dank seiner Hilfe. Minuten später lag er mit einem Kopfschuss am Boden.

Angriff der Männer in Schwarz

Als die Armee am 10. April versuchte, ein kleineres Lager der Demonstranten zu räumen, erschienen plötzlich schwer bewaffnete Männer in schwarzen Uniformen auf der Seite der Rothemden und feuerten auf die Soldaten. Es waren vermutlich Khattiyas Männer. Beim folgenden Schusswechsel starben fünf Soldaten, 19 Zivilisten und ein japanischer Journalist.

Kurz nach Beginn der blutigen Auseinandersetzungen schlug eine Granate in den Befehlsstand der Operation ein. Der Befehlshaber des Armeeeinsatzes, ein früherer Personenschützer der thailändischen Königin und enger Vertrauter von Armeechef Anupong Paochinda, war sofort tot, zwei andere Offiziere schwer verletzt. Es war dies eine gezielte Tötung, ausgeführt von Profis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2010)

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