Feenzauber in der Irischen See

Heiter bis wolkig: Das Meer vor der Isle of Man wechselt die Farben mit dem Wetter.
Heiter bis wolkig: Das Meer vor der Isle of Man wechselt die Farben mit dem Wetter.(c) Getty Images/iStockphoto (tr3gi)
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Hello, fairies! Hellgrüne Wiesen, zerklüftete Klippen – und jede Menge Fabelwesen. Die Insel ist nicht nur Steueroase, sondern auch ein Wanderparadies.

Es ist wunderschön hier: Der Fluss gurgelt tief unten durchs Gestein, vor den schwarzen, nassen Schieferwänden hängen Vorhänge aus Efeu, darunter ziehen sich Friese aus Farnen und Lebermoos. Und doch muss man höllisch aufpassen. Denn Glen Maye, das Feental, ist die Heimat derer, die man möglichst nicht laut bei ihrem Namen nennt. Der Holunder zeigt Löcher in seiner Rinde? Nein, es sind keine Poren, sondern die Ohren von Feen. Ein Weißdornbusch steht im Weg? Bloß nicht abhacken: In seinen Wurzeln leben die Kleinen Leute mit grünem Wams und roter Kappe. Verirrt sich ein Kind dorthin, darf es mit ihnen feiern, gefühlte zwei, drei Stunden lang.

Sie sind überall

Doch kommt es heraus, sind Jahre vergangen und die Eltern längst alt und grau vor Gram geworden. Dazu kommen Buggane, große, mürrische Gestalten mit Pferdehufen, die gar nicht mit Menschen können, und Phynodderees, haarige Riesenwesen, die manchmal heimlich bei der Ernte helfen. Überall auf der Isle of Man halten „themselves – sie“ sich auf, und so ist es nur folgerichtig, dass im Bus jedes Mal kurz vor der Feenbrücke bei Douglas durchgesagt wird: „Nach alter Art grüßen wir die Feen.“ Und alle Fahrgäste murmeln versonnen: „Hello, fairies!“

Das kommt vom Trödeln: die Manx-Katze, ein Stolz der Insel.
Das kommt vom Trödeln: die Manx-Katze, ein Stolz der Insel.(c) Getty Images/iStockphoto (ecliff6)

Es ist viel Mystisches um die Isle of Man, die mitten zwischen Liverpool, Belfast und Dublin in der Irischen See liegt. Sie ist 52 Kilometer lang, 22Kilometer breit und hat 90.000 Einwohner, von denen ein Drittel in der Hauptstadt Douglas wohnt. Vom Ende des 19. Jahrhunderts an war sie ein Lieblingsziel vieler Engländer, ehe sie zu Beginn der 1970er-Jahre Spanien für sich entdeckten. Die eleganten, viktorianischen Fassaden an der Promenade haben überdauert. Ganz wie damals ziehen Pferde Straßenbahnwagen tapfer von einem Ende zum anderen. Auf den roten Fahnen im Wind prangt die „Triskele“, drei Beine, die eine Art Rad bilden. Sie geht auf ein uraltes Sonnenzeichen zurück und besagt höchst wehrhaft: „Wohin auch immer ihr uns werft – wir kommen auf die Beine. Aber wir werden nie vor England knien.“

Die „Triskele“, die Fahne, die Wehrhaftigkeit symbolisiert
Die „Triskele“, die Fahne, die Wehrhaftigkeit symbolisiert(c) Getty Images/iStockphoto (Oleksii Liskonih)

In den weißen und cremefarbenen Gebäuden mit den Erkern, Zinnen und Säulchen befinden sich heute nur noch wenige Hotels und Pensionen. Fast alle wurden zu Apartmentblöcken und Bürokomplexen umgebaut, in denen wohnen und arbeiten die IT-Spezialisten, Banker und Sekretäre der Firmen, die hier ihren Sitz haben, um Abgaben zu sparen.

Loaghtan-Schaf, Manx-Katze

Die Insel ist aber nicht nur ein Steuer-, sondern auch ein Wanderparadies. Ein sorgfältig gesteppter Quilt aus den hellgrünen Flecken kleiner Wiesen, zusammengehalten von den dunkelgrünen Nähten der Hecken überzieht die Hügel im Westen. Manchmal hüllt der „Mantel von Seegott Mannanan“, dichter Geisternebel, die Spitzen in Grau. Schwarze Kühe mit weißer Bauchbinde weiden hinter Trockenmauern, daneben grasen Loaghtan-Schafe, von denen allerdings noch keines die typischen vier Hörner aufweist. Auf sie sind die Inselbewohner ebenso stolz wie auf die Manx-Katze – das ist jene ohne Schwanz. Als Noah seine Arche schließen wollte, trödelte sie noch herum, huschte im allerletzten Moment durch das Tor, das der Meister gerade zumachte – und verlor ihr letztes Stück.

Der aufregendste Abschnitt des Möwenwegs, der insgesamt 160 Kilometer lang um die Insel führt, liegt im Süden. Ein scharfer Wind lässt keine Zweifel, an welch rauem Meer man wandert. Im Hinterland erblüht auf sanft geschwungenen Hängen lila Heide, durchbrochen von weißen Quarzbrocken und dottergelben Ginsterhügeln. Hinter Cregneash ist die Küste tief zerklüftet. Erdbewegungen, Regen und Erosion haben tiefe Spalten in den Sandstein gegraben, die Chasms. Die Wege daneben sind nicht gesichert, wer sich auf das brüchige Terrain wagt, ist für sich selbst verantwortlich. Auf einer tiefer gelegenen Plattform zum Meer ist ein Steinkreis aus uralten Zeiten erhalten, direkt an der Abbruchkante liegt ein Blumenstrauß: Dies ist ein beliebter Platz bei Selbstmördern.

Heiter bis stürmisch

Am Felsen Spanish Head fängt es an, richtig zu blasen. Tölpel, die aus Schottland herunterkommen, schießen im Wind wie Kamikaze-Flieger ins Meer. Und plötzlich ist die Sonne verschwunden, ein schwarzer Himmel hat sich über den blauen gezogen, es beginnt zu nieseln. Irgendjemand spricht spöttisch von „Feenpipi“. Ein Fehler – denn hinter der nächsten Biegung schlägt der Regen schräg herein, Sturm reißt einem die Worte von den Lippen, noch ein paar Schritte, und das Wasser peitscht fast waagrecht gegen Heidekraut, Schafe, Farn und Wanderer. Ganz frostig ist es, der Regen hämmert eisige Nägel in die Gesichter – welchem von den Unsichtbaren ist man da wohl auf die Füße getreten?

Hinter den Schauern kommt im Meer ein düsterer Block in Sicht, die Insel Calf of Man. Doch genauso plötzlich, wie sie zuvor verschwunden ist, dringt die Sonne durch. Letzte Regenschwaden entschwinden am Horizont, das Meer wechselt von Schwarzgrau zurück zu Tiefblau. Ein mildes Lüftchen streichelt die Haut, und wieder strahlt die Sonne so, als müsse sie sich für ihre vorübergehende Unpässlichkeit mit Bestleistungen entschuldigen. Wer auch immer jetzt dafür gesorgt hat – thank you, fairies!

Tipps: britische Küche, viktorianische Häuser

Hin: Flug London–Douglas mit British Airways. Oder mit einer Fähre der Steam Packet Company ab England oder Irland.


Essen und trinken: Dank des finanzkräftigen Publikums besteht kein Mangel an guten Restaurants. Oft britische Küche (Steaks, Fish and chips, Lammbraten) und Seafood: Empfehlenswert sind Queenies, die hiesigen kleinen Ver- wandten der Jakobsmuscheln.
The Station: Bar in Port Erin, genau gegenüber dem Bahnhof, von dem die alte Dampfeisenbahn startet. Gut für Burger, Sandwiches, Steak und Ale Pie. www.pubsandbars.im


The Courthouse Restaurant: eleganter In-Treffpunkt im Finanzdistrikt in Douglas, nicht ganz billig, interessante Karte – von der Gourmetwurst des Tages bis zum Sandwich mit Peri-Peri-Huhn. www.the-courthouse.com


Betriebe, die bevorzugt heimische Produkte verwenden: www.gov.im/foodanddrink


Übernachten: The Welbeck Hotel: 3*, in einer Parallelstraße zur Promenade in Douglas, gründlich renoviert. Das Personal ist freundlich, die Zimmer sind sauber. www.welbeckhotel.com.


Balmoral Guest House: in Port Erin, viktorianische Fassade, Blick auf die See, altenglischer familiärer Stil, großes Frühstück. www.balmoralporterin.co.uk


Info: www.visitisleofman.com, www.rail.im, www.manxnational-heritage.im

Compliance: Die Reise erfolgte mit Unterstützung von Wikinger Reisen. www.wikinger.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2019)

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