Schlacht um Bangkok ist nicht zu Ende

Schlacht um Bangkok ist nicht zu Ende
Schlacht um Bangkok ist nicht zu Ende(c) EPA (Mast Irham)
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Nachdem die thailändische Regierung das Demonstranten-Camp stürmen ließ, gaben die Führer der Protestbewegung auf. Doch in vielen Teilen Bangkoks brachen neue Unruhen aus.

Mehrere hundert Menschen stehen vor dem Victory Monument, einem großen Denkmal und Kreisverkehr am Rand von Bangkoks Innenstadt. Rund hundert von ihnen sind vermummt, auch schwarz gekleidete Ordner der Rothemden sind unter ihnen. Eine dunkle Rauchwolke zieht von der Innenstadt her. Es riecht nach verbranntem Plastik. Am Mittwochnachmittag, nachdem die Führer der Rothemden-Demonstranten bereits aufgegeben haben, griffen die Unruhen auf viele Teile Bangkoks über.

Eine Mann, er ist etwa 40 Jahre alt, sagt: „Heute wird es losgehen. Denn wir sind im Recht. Dennoch haben die Regierung und die Armee so viele Menschen getötet.“ Ein Frau fügt hinzu: „Mir blutet das Herz. Warum sind so viele Menschen gestorben? Weil wir unser Recht auf Wahlen einfordern?“ In einer Seitengasse brennen Autoreifen. Der Himmel darüber färbt sich pechschwarz.

Die Vermummten beginnen, Telefonzellen aus ihren Verankerungen zu reißen und kippen sie auf die Straße. Die Menge jubelt. Andere Demonstranten stürmen heran und schlagen mit Holzlatten und Eisenstangen die Scheiben ein. Die Zuschauer lachen, applaudieren und johlen frenetisch.

Während die Regierung immer noch davon sprach, dass „Terroristen in der Stadt für Unruhe sorgen“, zeigte sich am Mittwoch, welche Eigendynamik die Zusammenstöße in Bangkok mittlerweile erreicht haben.

Polizei greift nicht ein

Randalierer brechen das Rollgatter eines geschlossenen Supermarkts am Rand des Kreisverkehrs auf. Vielen Zuschauern ist der Schreck ins Gesicht geschrieben. „Das geht doch nicht!“, rufen viele und rennen entsetzt weg. Doch die meisten Beobachter jubeln. Die Demonstranten schlagen die Scheiben ein und plündern das Geschäft. Ein Mann trägt die Registrierkasse davon.

Einige Polizisten schauen sich die Entwicklungen aus einiger Entfernung an. Sie machen keine Anstalten einzuschreiten. Und auch keiner der Plünderer scheint sich an ihnen zu stören.

Es sind die Nachbeben einer Schlacht, die am Mittwoch gänzlich unerwartet über die Stadt hereingebrochen ist. Der Vormarsch der Soldaten auf das Lager der Demonstranten am Mittwochmorgen kam ganz überraschend. Noch am Abend zuvor war die Rede von Verhandlungen. Doch dann rollten noch vor Tagesanbruch gepanzerte Truppentransporter durch Bangkok und gingen südlich des Protestlagers im Finanzdistrikt Silom in Stellung.

Surreale Szenen im Protestcamp

Soldaten drangen in den Lumphini-Park, der am Rand des Rothemden-Lagers liegt, ein und lieferten sich Schießereien mit versprengten bewaffneten Demonstranten. Wasserwerfer besprühten die Barrikaden aus Autoreifen und Bambusspeeren am äußeren Rand des Protestcamps. Die Demonstranten hatten sie schon vor Tagen mit Benzin übergossen.

Dann durchbrachen die Truppentransporter die Barrikaden. Soldaten folgten ihnen. Vor der Hauptbühne im Zentrum des Camps spielten sich derweil surreale Szenen ab. Die Organisatoren der Proteste spielten Volkslieder aus dem Nordosten des Landes. Frauen tanzten und klatschten in die Hände, während sich die Männer auf den Weg machten, um die Soldaten anzugreifen.

Bangkoks Einwohner wachten Mittwochmorgen mit dem Anblick von riesigen Rauchsäulen über der Stadt auf. Die Demonstranten hatten unmittelbar nach dem Vormarsch der Armee Barrikaden angesteckt. Doch auch damit konnten sie die Truppen nicht lange aufhalten. Gegen Mittag kapitulierten die Anführer der Demonstranten. „Es ist alles aus“, sagte Protestführer Jatupron Prompan. „Ich entschuldige mich bei euch allen. Aber möchte keine weiteren Toten. Auch ich bin am Boden zerstört.“ Er und vier weitere Organisatoren der Proteste wurden festgenommen.

Brennendes Börsengebäude

Das befürchtete Blutbad blieb aus. Dennoch starben bei sporadischen Schusswechseln sechs Menschen, unter ihnen ein italienischer Fotojournalist.

Bevor sich die Demonstranten auf den Weg machten, um bei Verlassen des Lagers von Polizisten registriert zu werden, stürmten einige von ihnen die Central- World-Shoppingmall, Südostasiens zweitgrößtes Einkaufszentrum, und warfen Brandbomben. Auch ein Kino im Gebiet der Demonstranten sowie mehrere Geschäfte gingen in Flammen auf. Mehr als zwei Dutzend weitere Gebäude brannten.

Ebenso wurden mehrere Filialen der „Bangkok Bank“ angegriffen. Prem Tinsulanonda, der Leiter des Staatsrates und damit der engste Berater von König Bhumibol, hat einen leitenden Posten in der Bank. Die Angriffe auf mindestens zehn Filialen dieser Bank an diesem Tag gelten ihm. Auch Thailands Börse stand in Flammen. In mehreren Städten im Norden und Nordosten des Landes, wo der gestürzte Ex-Premier Thaksin besonders viele Anhänger hat, stürmen Demonstranten Regierungsgebäude und zünden sie an.

Hintergrund

Die protestierenden Rothemden sind Anhänger des 2006 gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra. Sie werden angeführt von der Vereinigten Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD), die ihre Anhänger vor allem unter der ärmeren Landbevölkerung hat.

Sie halten die derzeitige Regierung für illegal, da diese nicht gewählt, sondern vom Militär in einem "stillen Staatsstreich" im Dezember 2008 eingesetzt worden sei. Nach der Auflösung der Thaksin-nahen Regierungspartei durch ein Verfassungsgericht bestimmte das Parlament Abhisit Vejjajiva zum Premier.

Als Abhisit einen Wahltermin für den 14. November in Aussicht stellte, schien eine Einigung in Reichweite - die aber scheiterte, weil die Rothemden verlangten, dass Vizepremier Suthep Thaugsuban wegen der Zusammenstöße vom 10. April angeklagt werde.

Mehr: Chronologie des Konflikts seit 2005

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20. Mai 2010)

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