Cannes: Preis für verrohte Dänen im Krieg

Cannes Preis fuer verrohte
Cannes Preis fuer verrohte(c) semainedelacritique.com/Lers Skree
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Janus Metz zeigt in "Armadillo" den Alltag dänischer Soldaten in Afghanistan und erhielt dafür den Kritikerpreis "Semaine de la Critique". Im Rennen um die Goldene Palme gibt es keinen eindeutigen Favoriten.

Die Kritiker haben in Cannes den Regisseur Janus Metz für seinen Dokumentarfilm "Armadillo" über den Alltag dänischer Soldaten im Afghanistan-Krieg mit dem Preis "Semaine de la Critique" ausgezeichnet. Der Film zeigt 90 Minuten lang ungefiltert, wie verroht sich die jungen dänischen Männer in Taten und Worten durch den Krieg bewegen. Soldaten schildern darin, wie sie schwer verletzte Taliban "hinrichten" und wie sie die versehentliche Tötung eines kleinen Mädchens "völlig gleichgültig" lässt.

"Fuck, das war Spitze, da kriecht keiner mehr weg. Weil wir da waren", freut sich einer von ihnen. Ein anderer nennt seine freiwillige Teilnahme am Afghanistan-Krieg einen "Karriere-Schachzug". "Das Ganze hier hilft kein bisschen", sagt ein anderer dänischer Soldat.

Film provozierte eine Untersuchung

Der Kopenhagener Dokumentarfilmer Metz konnte seine Landsleute auch bei Kampfhandlungen in der Helmand-Provinz begleiten. Im eigenen Land reagierte die Armeeführung mit der Einleitung einer amtlichen Untersuchung, ob eigene Soldaten tatsächlich bereits kampfunfähige Taliban-Gegner ohne militärische Notwendigkeit getötet haben.

"Dieser Film verändert unser Bild vom Afghanistan-Krieg total", meinte der tief beeindruckte dänische Schriftsteller Carsten Jensen. Der Film könnte die bisherige Befürwortung des Afghanistan-Einsatzes durch die Mehrheit der Bevölkerung durchaus ins Wanken bringen. 750 dänische Soldaten sind in Afghanistan stationiert, 29 sind bisher ums Leben gekommen. Das sind verhältnismäßig viele, trotzdem zeigen Umfragen - im Gegensatz etwa zu Deutschland, Großbritannien und den USA - stets eine Mehrheit für Kriegs-Befürworter.

Kein eindeutiger Favorit

Uneindeutig ist indes noch das Rennen um die Goldene Palme: 19 Filme sind im Wettbewerb, eindeutiger Favorit zeichnet sich aber keiner ab. An den meisten scheiden sich die Geister, und nur ganz wenige werden als klare Favoriten gehandelt - wie "Des Hommes et des Dieux" vom Franzosen Xavier Beauvois. Der Regisseur erzählt darin von katholischen Mönchen eines Klosters in Nordafrika, die friedlich mit den muslimischen Dorfbewohnern zusammen leben. Doch irgendwann erreicht der fundamentalistische Terror das Kloster, die Mönche sollen das Land verlassen.

Ebenfalls zum Favoritenkreis zählt der Film des Südkoreaners Lee Chang-dong "Poetry". Darin begibt sich die 66-jährige Mija über die Poesie auf die Suche nach der Schönheit im Leben, wird aber mit den Grausamkeiten und der von Männern und Geld beherrschten Welt sowie der eigenen Sprachlosigkeit schmerzlich konfrontiert.

Yun Junghee als beste Schauspielerin?

Hauptdarstellerin Yun Junghee ist in "Poetry" erstmals seit mehr als 15 Jahren wieder auf der Leinwand zu sehen ist und wird bereits als beste Schauspielerin des Festivals gehandelt. Ihr könnte die Britin Lesley Manville als Mary in Mike Leighs "Another Year" Konkurrenz machen. Das Sozialdrama handelt von einem Paar kurz vor der Pensionierung und ihren gescheiterten Freunden, die allein sind, zuviel Alkohol trinken und mit ihrem Leid ganz unterschiedlich umgehen.

An "Biutiful" vom Mexikaner Alejandro Gonzalez Inarritu, der bereits 2006 für "Babel" in Cannes mit dem besten Preis für die Regie ausgezeichnet war, scheiden sich die Geister. Der todkranke Uxbal, eindringlich gespielt von Javier Bardem, der als Kandidat für den besten Darsteller gilt, versucht darin kurz vor seinem Tod seinen beiden Kindern noch ein besseres Leben vorzubereiten.

Politischen Umbrüchen und ihren Folgen auf das persönliche Leben der Menschen widmet sich Ken Loach in "Route Irish",. Er zeigt Söldner in Irak, die teils sinn- und skrupellos ihre Macht ausspielen. Gewohnt sozialkritisch und auf der Suche nach der Wahrheit gehört auch Loach zu den Anwärtern auf die Goldene Palme.

Tim Burton: "Filme, die berühren"

Jury-Präsident Tim Burton hatte zu Beginn des Festivals die Parole ausgegeben: "Wir wollen Filme, die uns berühren." Und das ist vielen der 19 Beiträgen gelungen. Zudem sei ihm und seinen acht Mitstreitern in der Jury das Element der Überraschung wichtig. Und so wird Burton am Sonntag bei der Preisverleihung sicher auch für eine Überraschung sorgen, denn dafür war Cannes schon immer gut.

Preis für Filmhund

Nicht nur ernste, auch ein skurriler Preis wurde in Cannes vergeben: Jedes Jahr wird der beste Filmhund gekürt. Dieses Jahr bekam ein Boxer namens Boss den Preis. Der Boxer sei für "unzählige Handlungsmomente" in Stephen Frears' Film "Tamara Drewe" entscheidend gewesen, sagte der Veranstalter der inoffiziellen Siegerehrung, Toby Rose. Er war bei der Preisverleihung unter anderem gegen einen irischen Wolfshund aus dem Eröffnungsfilm "Robin Hood" ins Rennen gegangen. Als "Palm Dog" (in Anlehnung an die Palme d'Or, die Goldene Palme) bekam Boss ein Diamantenhalsband verliehen. Die Komödie des britischen Filmemachers Frears lief bei dem Festival außer Konkurrenz.

(Ag.)

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