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AfD legt bei Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg deutlich zu

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Die regierende CDU blieb in Sachsen trotz Verlusten stärkste Kraft, in Brandenburg schaffte die SPD einen knappen Vorsprung.

Dresden/Brandenburg. Bei den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen und Brandenburg haben sich die jeweils regierenden Christ- und Sozialdemokraten (CDU und SPD) nach ersten Prognosen trotz Verlusten als stärkste Parteien vor der rechtspopulistischen AfD (Alternative für Deutschland) behauptet. Diese konnte aber stark zulegen und kam über 20 Prozent.

Die beiden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU/Sachsen) und Dietmar Woidke (SPD/Brandenburg) können damit aber voraussichtlich im Amt bleiben. Kretschmer sprach von einem "wirklich guten Tag". "Wir haben es geschafft, das freundliche Sachsen hat gewonnen", sagte er am Sonntag im Dresden. Es sei der CDU gelungen, gegen eine starke AfD erneut den Regierungsauftrag zu erhalten. Es werde nun "darum gehen, eine stabile Regierung zu stellen", sagte Kretschmer. Nun werde es Gespräche geben, die aber "nicht von heute auf morgen gehen" würden.

Die AfD gewann in beiden Bundesländern deutlich hinzu und bezeichnete ihre Wahlergebnisse als "großartigen Erfolg“. Sie meldete ihren Anspruch auf politische Mitbestimmung an.

Die seit fast drei Jahrzehnten regierende CDU ist in Sachsen so schwach wie nie zuvor. Laut Prognosen von ARD und ZDF blieb sie trotzdem stärkste Kraft. Die Partei von Ministerpräsident Michael Kretschmer kann demnach ihre Spitzenposition behaupten. Die AfD löst die Linke klar als zweitstärkste Kraft ab.

Die bisher mitregierende SPD fällt auf ein Rekordtief in Sachsen und erzielt das schlechteste Landtagswahlergebnis in ihrer Geschichte bundesweit. Dagegen legen die Grünen im Freistaat deutlich zu und haben Chancen auf eine erstmalige Regierungsbeteiligung. Die FDP muss um den Einzug in den Landtag bangen. Wer künftig Sachsen regiert, bleibt zunächst offen. Für eine Neuauflage der CDU/SPD-Koalition reicht es nicht mehr.

Landtagswahlen in Sachsen - Hochrechnung
Landtagswahlen in Sachsen - HochrechnungAPA

Die seit 1990 regierende SPD sackte in Brandenburg auf ein Allzeittief.  Die Sozialdemokraten blieben aber knapp vor der rechtspopulistischen AfD als Nummer - ob es für ihren Machterhalt reicht, war am Sonntagabend trotzdem zunächst unsicher.

Die seit der Wiedervereinigung und zuletzt mit den Linken regierende Partei von Ministerpräsident Dietmar Woidke stürzte nach den Prognosen auf ihr schwächstes Ergebnis im Land und bräuchte in jedem Fall einen dritten Regierungspartner, wenn nicht sogar einen vierten.

Infrage kommen die Grünen, die nicht nur ihr bestes Ergebnis in Brandenburg, sondern überhaupt in einem ostdeutschen Flächenland einfahren. Zweiter großer Gewinner ist die AfD mit ihrem radikal rechten Spitzenkandidaten Andras Kalbitz, die aber trotz zweistelligen Zuwachses den angestrebten Triumph verfehlt, erstmals bei einer Landtagswahl stärkste Kraft zu werden. Die in Brandenburg von je her schwächelnde CDU fällt auf ihr schlechtestes Landesergebnis und rangiert nun hinter der AfD auf Platz drei.

Landtagswahlen in Brandenburg - Hochrechnung
Landtagswahlen in Brandenburg - HochrechnungAPA

AfD will mitregieren

Die rechtspopulistische AfD beanspruchte nach den Wahlerfolgen Mitbestimmung. "Es wird keine Politik um uns herum mehr möglich sein", sagte der AfD-Spitzenkandidat in Brandenburg, Andreas Kalbitz, am Sonntagabend. Die AfD sei "gekommen, um zu bleiben".

Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel sprach von einem "hervorragenden Ergebnis". In Sachsen hätten 60 Prozent der Menschen konservativ gewählt und diesen Wählerwillen zu ignorieren wäre "undemokratisch", sagte sie mit Bezug auf die Aussage der Sachsen-CDU, die eine Regierungskoalition mit den Rechtspopulisten ausgeschlossen hatte.

AfD-Chef Alexander Gauland sagte zu den Ergebnissen, die Partei sei mit den Ergebnissen in beiden Bundesländern sehr zufrieden, jedoch sei die AfD nicht stärkste Kraft geworden. "Insofern beginnt die Arbeit jetzt erst." Kochef Jörg Meuthen stellte klar, die AfD sei "keine radikale und keine extreme Partei".

Schwierige Regierungsbildung

Damit blieb der in den Umfragen zumindest zeitweilig möglich erscheinende erstmalige Sieg der Rechtspopulisten bei einer Landtagswahl aus. Kretschmer äußerte sich in einer ersten Reaktion zufrieden mit dem Wahlausgang. Bei der Europawahl am 26. Mai war die AfD in Sachsen und Brandenburg noch stärkste Partei geworden. In Sachsen war dies der AfD auch bei der Bundestagswahl 2017 gelungen. In den letzten Wochen vor der Wahl hatten aber die Regierungsparteien in den Umfragen gegenüber den Rechtspopulisten etwas verlorenes Terrain gutgemacht. Hier könnte der Amtsbonus zugunsten der Ministerpräsidenten eine Rolle spielen.

Sollten sich die Hochrechnungen verfestigen, dürfte die Regierungsbildung in beiden Ländern schwierig werden. Eine Zusammenarbeit mit den AfD haben alle übrigen in den Parlamenten vertretenen Parteien abgelehnt. Die genaue Sitzverteilung stand aber noch nicht fest. Nach den Hochrechnungen kam die CDU in Sachsen auf 45 bis 46 Mandate, die AfD auf 30 bis 38, die Linke auf 14, Grünen auf 11 bis 12 und die SPD auf 11.

Ganz Deutschland sieht auf Sachsen und Brandenburg

In den beiden Bundesländern leben zusammen nur etwa acht Prozent der deutschen Bevölkerung. Wegen der AfD, die in Sachsen und Brandenburg bei der Europawahl Ende Mai stärkste Partei geworden war, stehen sie aber im Zentrum des politischen Interesses. Ende Oktober wird auch in Thüringen gewählt, wo die AfD in Umfragen ebenfalls über 20 Prozent kommt.

Die erst 2013 gegründete Partei ist in Ostdeutschland stärker als in den westlichen Bundesländern. Nach Ansicht von Sozialwissenschaftern ist dies auch eine Folge des Umbruchs nach der deutschen Wiedervereinigung 1990. Der Niedergang der ostdeutschen Industrie in der Marktwirtschaft wirkt bis heute nach, die Wirtschaftsleistung ist viel geringer als im Westen, mehr als zwei Millionen Menschen sind abgewandert. Viele der verbliebenen Einwohner fühlen sich als "Verlierer der Einheit".

Hohe Wahlbeteiligung

Sowohl in Sachen als auch in Brandenburg zeichnete sich eine höhere Wahlbeteiligung ab als bei den vergangenen Landtagswahlen vor fünf Jahren.

Bis 14.00 Uhr gaben in Brandenburg von den 2,1 Millionen Wahlberechtigten 31,3 Prozent ihre Stimme ab, wie die Landeswahlleitung in Potsdam mitteilte. Bei der Wahl im Jahr 2014 war die Beteiligung zum gleichen Zeitpunkt erst bei 22,4 Prozent gelegen.

Auch in Sachsen lag die Wahlbeteiligung am Sonntagnachmittag höher als vor fünf Jahren. Bis 14.00 Uhr gaben dort 35,1 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Im Jahr 2014 waren es zum gleichen Zeitpunkt 23,1 Prozent.

(APA/dpa)

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