Beim Essen ist Österreich keine Kulturnation

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Dominiert uns die US-(Un)Kultur? Sieht man die Landesküche als Kulturgut und wertet monetär, ist Italien ganz vorn. Wir liegen weit hinten.

Wie gerne klagen wir doch über die Übermacht der Angelsachsen! Zu viele Filme und Serien kommen aus den USA, zu viel Musik von den britischen Inseln. Dieses Sudern ist wirtschaftlich geprägt. Es geht ja um Umsätze von Kinos und Streamingdiensten (über Kleinkram wie Oper, Theater und Buch reden wir erst gar nicht). Damit ist es auch legitim, wenn nun ein Ökonom unser Weltbild auf den Kopf stellt: Joel Waldfogel im „Journal of Cultural Economics“. Die Idee hinter seiner Studie: Auch wenn wir Paella oder Sushi essen gehen, importieren wir Kultur. Er rechnet vor: Der Netto-Exportweltmeister in Sachen Küche ist klar Italien, gefolgt von Japan und Mexiko. Die USA hingegen haben, auch wenn man Fast Food einrechnet, das weitaus größte Defizit. Wohlgemerkt: Das sind keine Handelsdaten.

Denn die Trattoria in New York kauft ja meist vor Ort ein und hat lokale Mitarbeiter. Es geht ums fremdländische Rezept, um geistiges Eigentum – also Kultur. Was ergibt die Summe der monetär bewerteten Kulturleistungen? Wir Menschen geben fürs Essen in Lokalen weit mehr Geld aus als für Filme oder Musik. Damit können die Amerikaner ihr gewaltiges kulinarisches Defizit (55 Mrd. Dollar) mit den kärglichen Überschüssen an Kinokassen (zehn Mrd.) nicht wettmachen. Ähnlich hilft auch den Briten ihre Musik nicht aus den roten Zahlen. Als der eigentliche kulturelle Hegemon erweist sich Italien, dank Pizza und Pasta. Und Österreich? Ist mit knapp acht Milliarden Dollar Nettoimporteur. Ein schmerzlich klarer, vergleicht man mit Deutschland: zehnmal mehr Einwohner, aber nur ein gut doppelt so hohes Defizit. Offenbar beißen unsere Nachbarn mit mehr patriotischem Sinn in ihren Saumagen als wir in unser Schnitzel. Ganz zu schweigen von den Franzosen. Sie verstehen bei Kulturimperialismus ja generell keinen Spaß. Gegen die Dominanz von Hollywood wetterte einst Mitterrand: „Keinem Land sollte es erlaubt sein, die Bilder der ganzen Welt zu kontrollieren.“ Und im Reich der Froschschenkel gilt auch die Küche als „fundierender Aspekt französischer Nationalität“, wie es die Regierung in Paris 2014 postulierte. Um den raschen Vormarsch von Fast Food zu stoppen, erhalten die Gaumen französischer Schüler seither Geschmacksunterricht. Den Schlachtruf dazu lieferte „Le Monde“: McDonald's „zerstört heimtückisch das Essverhalten“, dieses „geheiligte Abbild französischer Identität“. So sei „Widerstand gegen die erschlichene Hegemonie der Hamburger“ ein „kulturelles Gebot“. Freiheit, Gleichheit, Gänseleber.

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