Nur fünf unabhängige Kandidaten wurden zur Moskauer Lokalwahl am Sonntag zugelassen. Roman Junemann ist einer von ihnen. In den Höfen eines Plattenbaubezirks wirbt er um die Stimmen der Wähler. Ein Lokalaugenschein.
Auf einem Spielplatz zwischen hohen Wohnblöcken steht Roman Junemann und verteilt Visitenkarten mit seiner Telefonnummer. „Ich verspreche Ihnen, immer erreichbar zu sein“, erklärt er den knapp zwei Dutzend Zuhörern, die auf Plastikstühlen Platz genommen haben. „Ich werde die Nummer nach der Wahl nicht ändern.“ In Tschertanowo, einem Plattenbauviertel im Süden Moskaus, sind das noch ungewohnte Töne. Persönliche Treffen mit Politikern sind rar.
Es ist einer der letzten Tage vor der Entscheidung am Sonntag. Kandidat Junemann, 24, Dreitagebart, dunkelblauer Anzug, stellt sich den Fragen der Bewohner. „Ich lebe im Bezirk, war bisher Unternehmensberater, bin verheiratet, keine Kinder“, sagt er routiniert. Sein Name? Wolgadeutsche Vorfahren. Unzählige solcher Treffen in den Höfen hat er in den vergangenen Wochen absolviert und dabei fünf Kilo abgenommen. Mit Offenheit und einem Ohr für die Belange der Bürger wirbt der Jungpolitiker um Stimmen. Mehr als 200.000 Menschen leben in Tschertanowo. Sie wählen einen Vertreter bei der von Protesten überschatteten Lokalwahl: ihren Abgeordneten im 45-köpfigen Stadtparlament. Eine Frau wünscht ihm Glück. „Ich unterstütze Sie.“ Von der regierenden Kreml-Partei Einiges Russland habe sie „die Nase voll“.
