Ruta del Califato: Die Städte von al-Andalus

Zuheros scheint aus dem Felsen zu wachsen
Zuheros scheint aus dem Felsen zu wachsen(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Auf der Ruta del Califato reist man 200 Kilometer weit durch die Jahrhunderte der Reconquista. Sie verbindet die schönsten Metropolen des muslimischen Spanien.

Schwarz zieht die Straße ihre Bahn durch das weite, aufgeräumte Land östlich von Córdoba. In der Hitze des späten Morgens flimmert ihr Asphalt im Tal des nun schütter rinnenden Flusses. Guadajóz heißt er, mit diesem „j“, ausgesprochen wie „ch“ in ach, klingt es Arabisch, wie so manches hier. Damals floss es in die Sprache ein, als Córdoba glanzvolle Kapitale eines Kalifats und diese Straße Handelsroute zwischen den beiden großen Städten von al-Andalus war.

Auf Kuppen liegen Orte wie Castro del Río mit weißen Häusern, fast jeder mit einer Krone aus Kastell und Kirche. Als stille Heerschar begleiten uns Olivenbäume rechts und links, in Reih und Glied. Durch Senken und Hügel hinauf und hinunter, auf denen sich immer wieder einmal ein einzelner Turm erhebt.

Diese Reise ist eine durch die Geschichte. Zu Orten, an denen sich nicht nur das Schicksal Spaniens entschied – im immer wieder aufflackernden Kampf zwischen muslimischen Mauren und christlichen Armeen. Aus Afrika kommend hatten Mauren um 711 ihren Siegeszug über die Straße von Gibraltar begonnen und waren rasch nach Norden vorgerückt, bis nach Frankreich, von wo sie sich, im Jahr 732 geschlagen, zurückzogen.

In Spanien begann die Rückeroberung durch die christlichen Königreiche, die Reconquista, um 722. Sie dauerte fast achthundert Jahre und war ein komplexer Vorgang, der Begriff „Reconquista“ allein ist es schon, aber das überlässt man besser Historiker-Diskursen. In Andalusien jedenfalls fiel Córdoba, Hauptstadt des Kalifats, 1236 an Kastilien, Granada 1492, als die katholischen Könige Isabel und Fernando in die letzte und prächtigste islamische Residenz der Halbinsel, die Alhambra, einzogen. Auf der Route des Kalifats kann man diesem Weg Stadt für Stadt, Festung für Festung nachreisen.

Weiße, flirrende Mittagsstille

Wie eine Fata Morgana liegt Baena am Horizont, ein Berg, bedeckt von einem weißen Häuserdickicht wie eine orientalische Stadt. Man steigt aus, um zu schauen, und steht im ohrenbetäubenden Rasseln von Zikadenmännchen auf Brautschau. Beißender Geruch hängt in der Luft – vor uns steht eine Ölmühle – „almazara“ – ein Wort arabischen Ursprungs wie „aceite“ für Olivenöl. Hinauf möchte man und dringt in Baenas Häuserlabyrinth ein, durch das sich enge Straßen den Berg emporwinden, verzweigt, verschachtelt, unterbrochen von Zeugen gründerzeitlicher Wohlhabenheit. Sie muten befremdlich an in diesem Ort, der bis 1245 für fünf Jahrhunderte den arabischen Namen Bayyana getragen hatte. Noch heute erinnern seine Gassen und Plätze mit weiß getünchten Häusern im Viertel Almedina oben um die Burg an jene Zeit. Wie ausgestorben ist es in der Mittagshitze.

Surreale Bilder weißer Stille nimmt man mit und einsame Momente wie auf der weiten Plaza Palacio vor der in Teilen rekonstruierten Feste. Wie eine Requisite steht sie da gegenüber der Pfarrkirche. Ein alter Mann dreht seine Runden um den Platz, wieder und wieder, aus seinem Kofferradio tönt wiegend-schmissiger Paso doble. Von hier oben wurde das Land beherrscht, die Stadt und all die Olivenbaumreihen da unten, die Route Richtung Granada, wo die Berge vor dem Himmel stehen. Dort, wo Zuheros liegt.

War Baena aus der Ferne wie eine Illusion, scheint Zuheros selbst aus nächster Nähe ein Trug. Am Rand der Betischen Kordillere erwächst der Ort aus zerspaltenem Terrain einem riesigen Felsen und mit Zinnen und Türmen über dem winzigen weißen Dorf die Burg. Auf der Plaza de la Paz stillen Wanderer ihren Durst und bewundern das großartige Landschaftspanorama. Eine junge Frau öffnet die Tür zum Burgaufgang. Knarrend und ächzend gewährt das Tor Zugang zu einem Turm, der wie in einem Cartoon Mordillos auf einem Felsen über dem Platz thront. Von oben schaut man auf das Felsennest, das zu den schönsten Dörfern Spaniens zählt, die kleine Kirche – wie viele einst eine Moschee – und hinunter ins Land, wo die Olivenbäume Spalier stehen, und auf das karstig-bizarre Gebirge, das zum Naturpark Sierra Subbéticas gehört. Zuheros – von Suhayra im Arabischen, Fels heißt das – war, man erkennt es in den Gassen und auf Wehrgängen, schwer befestigt. Von hier sah man anrückende Feinde von Weitem und kontrollierte den Weg da unten zwischen Baena und Priego. Heute liegt Zuheros im Abseits, bunte Fotos im gemütlichen Restaurant an der Plaza aber deuten Kosmopolitisches an – Wirt Rafael zeigt sich unzählige Male grinsend im Kreis großer Sportstars wie Zidane oder Beckham in Madrid.

Der Weg nach Priego de Córdoba liegt in gleißendem Licht, schroffe Felsen und zerklüftete Täler begleiten ihn später. Dann liegt Priego vor uns auf einem Plateau wie ein Balkon. Senkrecht geht es davor in die Tiefe, die Türme der alten arabischen Burg und seiner Kirchen erheben sich darüber vor der fast sechzehnhundert Meter hohen Sierra. Uneinnehmbar scheint die Stadt von hier.

Wände voller Blumenschmuck

Sie ist die wohl schönste zwischen Córdoba und Granada. Durch Seidenmanufakturen wohlhabend geworden, hat sie einen erstaunlichen Baubestand von maurisch über Barock bis Fin de Siècle. Wie oft an der Route war die einst arabische Burg, Alcazaba genannt, der wichtigste Ort der Verteidigung. Seit den Mauren liegt die Altstadt Barrio de la Villa entlang der Kluft am Balcón del Adarve – weiße Häuser, winzige Plätze, enge Gassen, die Wände voller Blumenschmuck, nicht wie in Córdoba nach innen gekehrt, in die Höfe, sondern nach außen als etwas, was alle erfreut. Abends im Schein der Laternen hat es einen ganz eigenen Zauber. Fast 500 Jahre lang war Priego islamisch, bis 1341.

Aus den einfachen Gassen in die spirituelle Wucht der Kirche Nuestra Señora de Asunción zu treten hat etwas Surreales. Wie eine spätbarocke Skulptur umfangen einen ihre Wände und Decken, ihr Stuck als Abbild einer über alles Weltliche triumphierenden göttlichen Pracht. Ohne Priegos Wohlstand wäre das nicht möglich gewesen, seine Bauten zählen zum Feinsten des spanischen Barocks, etwa die prächtige Brunnenanlage Fuente del Rey. Sie mutet in diesem Karstgebirge, in dem Wasser sich andere Wege sucht als sichtbare, fast unwirklich an.

Köstliches der Gegend wie die kalte cordobesische Tomatensuppe Salmorejo mit dem Olivenöl von hier, zarter, saftiger Ochsenschwanz, ein kräftiger Rotwein aus dem nahen Montilla – der Abend fängt gut an auf der Terrasse im Restaurant Balcón del Adarve mit weiten Aussichten in das Tal und die Berge. Es ist Wochenende, in den Restaurants, Bars, Parks, auf den Straßen und Plätzen daher richtig was los. Köstlich andalusisch geht es am Morgen im Patria Chica Hotel weiter, einem Stadtpalais: mit fruchtigem, grün-goldenen Olivenöl aus Priego zum Frühstück, das man auf geröstetes Weißbrot träufelt und darauf fein pürierte Tomaten streicht, Schinken gibt's und würzigen Käse, Melone, Erdbeeren, Trauben, alles aus der Gegend und reichlich. Orangensaft wird frisch gepresst, und einen „cafecito“, café solo, gibt es auch.

In Richtung Granada nimmt die Dichte der Spähtürme auf den Bergen dann zu, der Ort der letzten großen Festungsschlacht rückt näher. Es ging um das Wertvollste, was den Mauren geblieben war: Granada. Auf der Burg von Alcaudete erfährt man über den Audioguide viel von dem Belagerungs- und Kriegselend in dem kleinen, schwer befestigten und umkämpften Ort, er fiel 1225. Von den Türmen ringsum hielten Wachen Ausschau nach dem Feind. Mit entzündetem Gras schlugen sie Alarm, tagsüber mit feuchtem, um Rauchsignale abzusetzen, nachts mit Heu, Feuersignalen von Turm zu Turm. Bis nach Alcalá la Real, zu dessen weitem Festungsring sie gehörten.

Genickstarre in Alcalá

Ist Priego die schönste Stadt unterwegs, ist Alcalá die spannendste. Auf dem Plateau über dem heute geschäftigen Ort liegt die gewaltige Festungsstadt La Mota aus dem Mittelalter – heute in spektakulären Ruinen und mit teilrestaurierten Bauten wie der Burg. Allein der Aufgang durch die riesigen Toranlagen und Festungsmauern sorgt für Genickstarre.

Immer wieder wechselten ihre Herren seit dem 13. Jahrhundert, einmal waren es Christen, ein andermal Muslime in dieser vorletzten Bastion Granadas. Kaum ein Besucher wird sich ihrer Größe und der über Kopfhörer erzählten Geschichten entziehen können. Eine längst vergangene Stadt, ihre Menschen erwachen in den verbliebenen Bauten und Ruinen zu Leben – die Stoßtrupps in Feindesland, der tägliche Markt, ihre Häuser, die Gefangenen im heißen, düsteren Kerker. Gänsehaut. Alcalá la Real wurde 1341 wieder christlich; nach 600 Jahren muslimischer Herrschaft.

Bleibt Moclín, hisn al-muklin im Arabischen, die Grenzfeste des letzten Verteidigungsrings um Granada. Die Anreise dorthin führt durch hinreißend gebirgiges, steiles Land. Die Festung über dem Dorf, die fruchtbare Ebene von Granada schon vor Augen, muss uneinnehmbar gewirkt haben. Hier fiel die wichtigste Entscheidung der Wiedereroberung – Tausende muslimische Reiter und Schwertkämpfer trotzten der Belagerung christlicher Truppen, die sie vom gegenüberliegenden Hügel beschossen. Eine Kanonenkugel traf schließlich die Pulverkammer, Moclín ergab sich an einem Sommertag des Jahres 1486, fünfeinhalb Jahre später Granada. Auf der Route des Kalifats schrumpfen sie zu einer Autostunde.

ANDALUSISCHE ZEITREISE AUF MUSLIMISCHEN SPUREN

Gute Reisezeit: im Herbst, Frühjahr und Spätsommer

Route: Es gibt eine Nord- und Südstrecke mit einer Querverbindung via Zuheros, sie treffen sich in Alcalá la Real.

Der Routenverlauf im Text hat etwa

240 km: Córdoba – Espejo – Castro del Río – Baena – Zuheros – Luque – Priego de Córdoba – Alcaudete – Alcalá la Real - Moclín – Granada; In Alcaudete und Alcalá empfehlen sich die angebotenen Audioguides.

Zentral gelegen zwischen Córdoba und Granada ist Priego:

Schlafen/Essen: Priego de Córdoba

www.hotelpatriachica.com

Essen:www.balcondeladarve.com

Baena, Zuheros und Alcalá la Real bieten sich auch als Übernachtungs-/Etappenziele an.

Typisches Produkt: Olivenöl. www.dopriegodecordoba.es

Die nativen Olivenöle extra von Priego und Baena zählen zu den besten und haben eine geschützte Herkunftsbezeichnung, das aus Priego de Córdoba, www.knolive.com, wurde 2018 World-Champion.

Ausflüge zum Olivenöl, zu Mühlen, Produzenten, Pflanzungen in Priego:

www.turismoyaceite.com

In Baena: www.baenacultura.es

Infos:www.turismodepriego.com

www.andalucia.org, www.spain.info

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2019)

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