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Marathonlesen

EU-Preisträgerin. Die polnische Autorin und Filmemacherin Marta Dzido hält sich gut, als sie in der Lounge des Pune-­Literaturfestivals zum Klimathema befragt wird.
EU-Preisträgerin. Die polnische Autorin und Filmemacherin Marta Dzido hält sich gut, als sie in der Lounge des Pune-­Literaturfestivals zum Klimathema befragt wird.(c) Beigestellt
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Aus Indien, dem Land der Literaturfestivals: Wieso Autoren elf Mal hintereinander lasen.

In Indien leisten sich viele Städte ein Literaturfestival, zum Beispiel Pune, das „Oxford des Ostens", mit fünf Millionen Einwohnern nach Mumbai die zweitgrößte Stadt Maharashtras. Diesen Herbst las ich bei der siebten Ausgabe des „Pune International Literature Festival". Neben Auditoriumsdiskussionen und Lesungen gab es im Institutspark „Yashwantrao Chavan Academy of Development Administration" auch Bücherstände, Samosas und eine Lounge. Auf einem Thronsessel fanden Interviews zum Festivalthema „Save the Earth" statt. Vor dem Mikrofon zerschmolzen angesichts des Riesenlands meine Weltrettungsideen zu einem vagen Hoffnungsbrei.

Premierminister Narendra Modi, nationalistischer Hindu mit neoliberaler Agenda, hatte ja für Aufsehen gesorgt, als er das Umweltministerium in „Umwelt und Klimaschutz" umbenannte und dessen Mittel um 50 Prozent kürzte. Statt dem Amanshauser, dachte ich, sollten sie lieber Klimaexperten zum Thema befragen und sich an deren Ratschläge halten! Zur Abwechslung.

Anschließend nach New Delhi zur „Long Night of LiteratureS" mit großem S, veranstaltet vom Instituto Cervantes: Die österreichische Botschaft nominiert Teilnehmer, 2018 Clemens Berger, 2019 mich. Das Publikum besucht in elf Gruppen die Autorinnen und Autoren, die in Klassenräumen ihre englischen Texte vortragen, und zwar elf Mal hintereinander mit kurzen Pausen (Honorar gibt es aber eh nur einmal). Ein solches Marathonlesen macht glücklich, am Ende auch ein bisschen fertig und melancholisch, wogegen spanischer Wein ideal wirkt. Ich lernte – aufgrund des Systems eigentlich unmöglich – den Text einer Kollegin kennen, da wir schwindelten. Ich und die Warschauerin Marta Dzido, mit dem Roman „Frajda" Gewinnerin des EU-Literaturpreises, wechselten für eine Session Klassenraum und Rollen. Während ich Dzidos großartigen, dualperspektivischen, teilweise erotischen Text vorlas, betrachteten mich die Männer im Publikum mit traurigen, fast toten Augen: Wer nur war dieser seltsame Kerl? In der Pause wechselten wir zurück, und jeder war wieder er und sie selbst.

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