EU-Austritt

Welche Optionen es nun beim Brexit gibt

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Verlängerung kurz, lang oder flexibel - oder doch der No-Deal-Brexit? Am Dienstag erzwang das britische Parlament eine Pause im Brexit-Prozess. Nun sind mehrere Wege offen.

Das britische Unterhaus hat ein Schnellverfahren für die Annahme des Brexit-Vertrags abgelehnt. Damit ist ein geregelter Austritt Großbritanniens zum 31. Oktober nicht mehr machbar. Die anderen EU-Staaten beraten deshalb über eine erneute Verschiebung des Austrittsdatums. Dies müsste einstimmig beschlossen werden, das Meinungsbild ist aber noch diffus. Welche Szenarien denkbar sind:

Eine kurze "technische Verlängerung"

Frankreichs Europa-Staatssekretärin Amélie de Montchalin brachte am Dienstagabend eine "rein technische Verlängerung" der Brexit-Frist "um einige Tage" ins Spiel. Sie soll dazu dienen, dem Unterhaus etwas mehr Zeit zu geben, das Brexit-Abkommen zu ratifizieren. Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas zeigte sich am Mittwoch für eine kurze Verschiebung offen. Falls es sich um eine Verzögerung von zwei oder drei Wochen handle, damit die Abgeordneten in London die Brexit-Gesetzgebung abschließen könnten, dann sollte es kein Problem sein.

Eine lange Verschiebung

Das Unterhaus hatte Premierminister Boris Johnson schon am Wochenende gezwungen, bei der EU eine erneute Brexit-Verschiebung bis zum 31. Jänner zu beantragen. Johnson schickte widerwillig einen entsprechenden Antrag nach Brüssel, machte klar, dass er eigentlich keine Verschiebung will. EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb am Dienstagabend auf Twitter, er werde "empfehlen, den Antrag des Vereinigte Königreichs für eine Verlängerung anzunehmen". Er nannte keinen genauen Zeitraum.

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Denn bisher haben die Mitgliedstaaten keine gemeinsame Linie. Am Mittwochnachmittag treffen sich die EU-Botschafter, um über die Frage zu beraten. Tusk will vorschlagen, die Verlängerungsfrage dann im "schriftlichen Verfahren" zwischen den Hauptstädten zu entscheiden. Damit wäre ein zunächst erwogener Brexit-Gipfel der Staats- und Regierungschefs kommende Woche vom Tisch. Finden die EU-Regierungen aber keine einheitliche Position, könnte das Sondertreffen doch noch notwendig werden.

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Zunächst hat sich lediglich der irische Premier Leo Varadkar zu einer Fristverlängerung bis 31. Jänner bereit erklärt. Irland ist als direkter Nachbar und wegen der besonderen Situation Nordirlands wie kein anderes EU-Land von den Brexit-Entscheidungen in London betroffen.

Eine „flexible“Verschiebung

Als möglicher Kompromiss wird von manchen in Brüssel eine "flexible" Verschiebung gesehen. Damit würde Großbritannien eine Verlängerung um mehrere Monate gewährt, London könnte aber austreten, sobald der Austrittsvertrag ratifiziert ist. Für Johnson - und auch die EU - birgt eine lange Verschiebung aber die Gefahr, dass die Unterhaus-Abgeordneten über Änderungsanträge versuchen, den ausgehandelten Brexit-Deal wieder aufzuschnüren und Nachverhandlungen mit Brüssel zu verlangen. Dann könnte selbst ein Austritt zu Ende Jänner schwierig werden.

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Ein No-Deal-Brexit

Ohne Einigung der anderen 27 EU-Staaten auf eine Verschiebung und die Ratifizierung des Brexit-Abkommens im Unterhaus käme es zu einem ungeordneten Austritt Großbritanniens am 31. Oktober. Von einem Tag auf den anderen wäre Großbritannien nicht mehr Teil des europäischen Binnenmarktes und der Zollunion. Dies hätte dramatische Folgen für den Reiseverkehr und die Wirtschaftsbeziehungen.

Neuwahlen

Eine monatelange Verschiebung des Brexit-Termins könnte unterdessen auch den Weg für Neuwahlen in Großbritannien bereiten. Angesichts guter Umfragewerte hatte Johnson schon mehrfach erfolglos versucht, Wahlen anzusetzen, um im Unterhaus wieder eine Mehrheit zu bekommen. Für diesen Schritt bräuchte er aber die Unterstützung der Labour-Opposition, die bisher keine Wahlen wollte. Doch am Mittwoch signalisierten nun Vertreter mehrerer Oppositionsparteien Bereitschaft, einer Neuwahl zuzustimmen.

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Ein zweites Referendum

Neuwahlen könnten auch den Weg für ein zweites Referendum ebnen. Labour hat dieses im Falle eines Wahlsieges versprochen. Für die Vorbereitung eines Referendums wären aber wohl fünf bis sechs Monate nötig. Damit müsste der Brexit-Termin nochmals deutlich weiter in das kommende Jahr verschoben werden. Als letztmöglicher Brexit-Termin wurde von EU-Vertretern bisher Ende Juni 2020 genannt - denn spätestens dann beginnt die heiße Phase der Verhandlungen über den EU-Haushalt im nächsten Jahrzehnt. Bis dahin muss klar sein, ob Großbritannien bleibt oder geht.

(APA/AFP)

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