Wolfgang Böck: „Die Deutschen sind schmähfrei“

Willkommen Wien bdquoDie Deutschen
Willkommen Wien bdquoDie Deutschen(c) ORF (Petro Domenigg)
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Das Verhältnis zwischen Deutschen und Österreichern gibt noch immer genug Stoff für einen Film her. Ein Setgespräch mit Wolfgang Böck.

Der Oberlippenbart klebt fest. Und nur die Dame in der Maske hat die Lizenz, den schmalen Streifen aus Echthaar am Ende des Drehtages abzunehmen – und am nächsten Morgen wieder an derselben Stelle anzubringen. Seit sechs Uhr früh ist Wolfgang Böck auf den Beinen. Der Drehschluss kurz vor 18 Uhr ist für ihn heute eine Erleichterung, seit Tagen schleppt der Schauspieler eine Verkühlung mit sich herum, zum Ausruhen kommt er kaum.

Noch bis 10. Juni dreht er an verschiedenen Schauplätzen in Wien den Fernsehfilm „Willkommen in Wien“ (ORF, ZDF und Allegrofilm), Regie führt der Grazer Nikolaus Leytner („Ein halbes Leben“). Diesmal wird in einem heruntergekommenen Büroturm in Erdberg gedreht, in dem die Agentur für Gesundheit untergebracht ist. Stock 13 und 14 stehen leer, hier hat man ein Callcenter aufgebaut.

Der dunkle Oberlippenbart steht ihm nicht. Er sieht aus wie ein Fremdkörper in seinem Gesicht. Er gehört eben nicht zu Wolfgang Böck, sondern zu Albert Schuh, jenem Wiener Polizisten, den er in dem Film verkörpert. Der Plot ist schnell erzählt: Schuh ist nicht nur wenig ehrgeizig, sondern ganz schön bestechlich. Was dem neuen, halb so alten „Austauschpolizisten“ Thorsten (gespielt von Florian Bartholomäi) aus Norddeutschland rasch auffällt. Es kommt, was kommen muss: Der Ösi und der Piefke müssen ihre Sprach- und Mentalitätsunterschiede bewältigen und nebenbei einen Mord lösen.

Das hört sich stark nach bekannten Klischees an. Gibt das denn noch immer genug Stoff für einen Fernsehfilm im Hauptabend her? Scheinbar schon. Zumindest kennt auch der private Wolfgang Böck diverse Verständigungsschwierigkeiten mit den deutschen Nachbarn. Er, der immer wieder auch in Deutschland Filme dreht oder auf der Bühne steht, sagt ohne Umschweife: „Die Deutschen sind schmähfrei. Mit Ironie haben sie es nicht so.“ Es sei ihm schon oft passiert, dass er bei Dreharbeiten eine Bemerkung gemacht habe, die ein deutscher Kollege solange für bare Münze gehalten hat, bis Böck ihn aufgeklärt hat: „Das war ein Scherz.“ Aber Böck gibt zu: „Natürlich ist vieles Klischee.“ Die Deutschen und die Österreicher seien in der Realität bereits viel näher gerückt. „Ich bin jetzt 57, vor 20 Jahren hätte niemand in Wien ,Tschüss‘ gesagt. Das ist heute anders.“


Was für Wolfgang Böck der Bart ist, sind für Ursula Strauss die Fingernägel. Sie spielt in „Willkommen in Wien“ die weitgehend geschmacksfreie Chefin eines Callcenters. Die bunte Glitzerlegging und die langen Fingernägel sind ihr Kostüm. Was der jungen Schauspielerin, die derzeit scheinbar in keiner heimischen Serien- oder Filmproduktion fehlen darf, zu gefallen scheint. Vor dem Nachhausegehen kommen die Nägel aber dennoch runter. Den deutsch-österreichischen Konflikt, auf dem der Film basiert, versteht Strauss gar nicht. „Für mich war das nie ein Thema, ich habe viele deutsche Freunde“.

Aber besser man fragt gleich den Erfinder des Plots, Regisseur Nikolaus Leytner, nach seinen Beweggründen, so einen Film zu machen. Der schöpft, ähnlich wie Böck und sogar mehr, aus einem reichen Erfahrungsschatz, was den Umgang mit Deutschen anbelangt. Weil er von 1999 bis 2005 bei den nördlichen Nachbarn gelebt und gedreht hat. Wobei Leytner nicht den Eindruck macht, nur traumatische Erlebnisse aus dieser Zeit zu haben. Er erinnert an Karl Kraus und dessen Satz „Uns trennt die gemeinsame Sprache“ und beschwichtigt: „Letztendlich kommt im Film der Moment, in dem die Konflikte überwunden werden.“ Und ja, die Deutschen und die Österreicher würden, dank Studentenzu- und -abwanderung und des völkerverbindenden Privatfernsehens immer mehr zusammenrücken. „Meine Tochter sagt auch ,lecker‘. Das Wort habe ich als Kind noch gar nicht gekannt.“

Noch ein interessanter Aspekt des Films: Wolfgang Böck spielt schon wieder einen Polizisten. Nach dem grantelnden „Trautmann“ war er auch in „Ein halbes Leben“ ein „Kieberer“. „Ich dachte, dass mich nach dem Trautmann nie wieder wer fragt, ob ich Kommissar sein will“, sagt er. Leytner hat doch gefragt. „Weil er momentan der ist, der das am besten spielen kann.“ Mit Trautmann hätte Albert Schuh zudem nichts gemein.

Dass der Publikumsliebling Böck aber eben auch die Zuseher zum Einschalten verleiten soll, wenn der Film 2011 gezeigt wird, streitet Leytner natürlich nicht ab.

Auf einen blick

Die ORF/ZDF-Produktion „Willkommen in Wien“ wird noch bis 10. Juni an verschiedenen Orten in Wien gedreht. Wolfgang Böck spielt den grantig-faulen Polizisten Albert Schuh, sein deutscher Kollege wird von Florian Bartholomäi verkörpert. Regie: Nikolaus Leytner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2010)

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