"Wer den letzten Krieg vergisst, bereitet schon den nächsten vor"

Lukas Bärfuss, Schweizer Schriftsteller und Dramaturg.
Lukas Bärfuss, Schweizer Schriftsteller und Dramaturg.(c) imago images/Hartenfelser (Peter Hartenfelser via www.imago)
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Im Sommer wurde Lukas Bärfuss der wichtigste Literaturpreis im deutschsprachigen Raum zugesprochen. Seine nun dargebrachte Dankesrede war wuchtig.

Als der Georg-Büchner-Preis im Juli Lukas Bärfuss zugesprochen worden war, hatte es nicht nur wohlwollende Reaktionen gegeben. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung lobte ihn für „hohe Stilsicherheit und formalen Variationsreichtum“, andere, wie etwa Publizist und Bestsellerautor René Zeyer, waren mit der Entscheidung nicht zufrieden, er nannte ihn in der „Presse" gar „Dichterimitat“.

Nun hat er seine Dankesrede gehalten, und, wie das üblich ist, bekam sie große Beachtung. Er warnte darin vor einem Vergessen der Nazi-Diktatur und des Holocaust. "Es bleibt die Aufgabe meiner Generation, die Erinnerung lebendig zu halten", sagte der 47 Jahre alte Schweizer Schriftsteller und Dramatiker am Samstag bei der Preisverleihung in Darmstadt. "Wer den letzten Krieg vergisst, der bereitet schon den nächsten vor." Erinnerung sei Voraussetzung, um nicht zu vergessen, sagte Bärfuss. Nazis und ihr Gedankengut seien nicht plötzlich wieder da, sagte er. Sie seien überhaupt nie weg gewesen.

Bisher wurde die gesamte Rede nur in der FAZ veröffentlicht. Und sie wurde in dieser Zeitung auch gleich kritisiert: Die Moral hätte „mitunter die Wucht – man könnte auch sagen: die Schlichtheit – der sozialen Medien“, hieß es dort.

Anders freilich die Laudatorin: Die Dramaturgin Judith Gerstenberg sagte über Bärfuss: "Mit seinem bisherigen Werk hat er eine umfangreiche Topografie der unbeantworteten und unbeantwortbaren Fragen unserer Zeit erstellt." Er sehe früher als andere, was uns beschäftigen müsste. "Das Schreiben ist ihm Instrument, die Welt zu greifen, ihre Zusammenhänge zu erkennen, Orientierung zu finden - vielleicht dadurch auch Halt."

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Zur Begründung ihrer Entscheidung hatte die Jury der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung erklärt, dass Bärfuss einer der herausragenden Erzähler und Dramatiker der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur sei. Das Werk des mehrfach ausgezeichneten 47-Jährigen ist umfassend. Romane, Novellen, Essays und Theaterstücke: Zu seinen bekanntesten Arbeiten gehören die Romane "Hundert Tage" über den Völkermord in Ruanda und "Koala" über den Suizid seines Bruders sowie das Bühnenstück "Die sexuellen Neurosen unserer Eltern".

In Wien kam 2007 das Stück "Die Probe (Der brave Simon Korach)" im Akademietheater zur Österreichischen Erstaufführung. Zuletzt erschienen der Roman "Hagard" (2017) und die Essays "Krieg und Liebe" (2018). Für 2021 plant Bärfuss ein Stück für die Nibelungen-Festspiele in Worms über Kirchenreformator Martin Luther.

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung vergibt die Auszeichnung seit 1951 an Schriftsteller, die in deutscher Sprache schreiben. Die Preisträger müssen "durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten" und "an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben". Zu den Preisträgern gehören Max Frisch (1958), Günter Grass (1965) und Heinrich Böll (1967) sowie seit 2014 Jürgen Becker, Rainald Goetz, Marcel Beyer, Jan Wagner und zuletzt die Schriftstellerin Terezia Mora.

Namensgeber des Preises ist der Dramatiker und Revolutionär Georg Büchner ("Woyzeck"). Er wurde 1813 im damaligen Großherzogtum Hessen geboren und starb 1837 in Zürich.

(rovi)

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