Glosse

Ich bin zu siebzig Prozent schön. Dieser Artikel nur zu zehn.

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Schönheit liegt im Auge des Betrachters? Nein, im Algorithmus einer App. Und Verlage lassen den Wert von Manuskripten berechnen. Oh weh!

Über Schönheit konnte man sich früher so schöne Gedanken machen. Für Platon war die Betrachtung ihrer reinen Idee das Einzige, wofür er sich zu leben lohnt. Im Mittelalter sah man in ihr den Glanz der Wahrheit durchschimmern. Bei Schiller versöhnte die Anmut der schönen Seele den Geist mit der Natur, die Pflicht mit der Neigung. Das klang toll, man konnte darüber endlos grübeln, ohne es je ganz zu ergründen.

Aber nun vertreibt man uns aus diesem letzten Zufluchtsort des Geheimnisvollen und kaum Sagbaren.

Statt nämlich verzückt stammelnd mit blumigen Worten zu umschreiben, warum wir ein menschliches Antlitz als wunderschön empfinden, genügt fortan eine nüchterne Zahl. Sagen wir: 92. Denn bei einem „Score“ zwischen 90 und dem Bestwert 100 bewertet die App „Golden Ratio Face“ ein Gesicht als nahezu perfekt. Es geht um den Goldenen Schnitt im Verhältnis der Breiten von Nase und Mund, den Abstand der Augen (optimal: 46 Prozent der Gesichtsbreite) und von Augen und Mund (ideal: 36 Prozent der Gesichtslänge). Der ganze Zauber wird eingedampft auf ein schnödes Rechenexempel.

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