Proteste

Hongkonger Justizministerin in London von Demonstranten angegriffen

Hong Kong Justice Secretary Teresa Cheng walks as protesters surround her in London, Britain
Hong Kong Justice Secretary Teresa Cheng walks as protesters surround her in London, BritainCHLOE LEUNG VIA REUTERS
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Ministerin Teresa Cheng soll schwer verletzt worden sein. Das wäre die erste direkte Auseinandersetzung zwischen einem Hongkonger Regierungsmitglied und den Demonstranten.

Die Proteste gegen die Hongkonger Regierung haben eine neue Eskalationsstufe erreicht: Nach Angaben der Führung in der chinesischen Sonderverwaltungszone wurde Justizministerin Teresa Cheng in London von Demonstranten angegriffen und verletzt. Das wäre die erste direkte Auseinandersetzung zwischen einem Hongkonger Regierungsmitglied und den Demonstranten - noch dazu im Ausland.

Cheng war in der britischen Hauptstadt, um für Hongkong unter anderem als Geschäftsmetropole zu werben. China legte offiziell Beschwerde in Großbritannien ein und forderte, dass die mutmaßlichen Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Hongkonger Regierung zufolge hat Cheng "schwere körperliche Schäden" erlitten. Die chinesische Botschaft in London teilte mit, Cheng sei zu Boden gedrückt und an der Hand verletzt worden.

Tote nach Protesten 

Am Rande der Proteste gegen die Peking-treue Regierung in Hongkong selbst hat es ein weiteres Todesopfer gegeben. Ein Mann war am Mittwoch von einem Stein am Kopf getroffen worden und erlag am Donnerstag seinen lebensgefährlichen Verletzungen, wie das behandelnde Krankenhaus mitteilte.

Lokale Medien hatten zuvor berichtet, dass der Mann am Mittwoch in einer Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Anrainern von einem Pflasterstein am Kopf getroffen worden war. Er hatte demnach mit anderen versucht, von Demonstranten zur Blockade ausgelegte Steine von der Straße zu räumen. In anderen Berichten hieß es, er habe auch Videos und Fotos gemacht.

Es werde vermutet, dass der Mann während seiner Mittagspause durch einen "harten Gegenstand" starb, der von "Randalierern" geschleudert wurde, hieß es in einer Mitteilung der Hongkonger Behörde für Lebensmittel- und Umwelthygiene, für die das Opfer als Reinigungskraft gearbeitet hatte. Die Polizei stufte die Tat als Mord ein.

Auf einem Video von dem Vorfall ist zu erkennen, wie sich schwarz gekleidete Demonstranten und eine andere Gruppe mit Steinen und anderen Objekten bewerfen. Der Mann wird von einem Objekt getroffen und fällt zu Boden.

Regierung will Vorfall aufklären

Die Sonderverwaltungsregion Hongkong sei empört über "die böswillige Tat", hieß es in der Mitteilung der Regierung weiter. Die Polizei werde alle Anstrengungen unternehmen, um den Fall zu untersuchen und die Straftäter vor Gericht zu bringen.

Die Gewalt in Hongkong war in den vergangenen Tagen eskaliert. Vergangene Woche bestätigten die Behörden den Tod eines Studenten, der am Rande von Ausschreitungen von einem Parkhaus gestützt war.

Am Montag hatte ein Polizist einem jungen Demonstranten in den Bauch geschossen. Sein Zustand hatte sich im Laufe der Woche gebessert. Ebenfalls am Montag zündete ein radikaler Demonstrant einen Sympathisanten der Regierung an. Sein Zustand ist kritisch. Gleiches gilt für einen 15-Jährigen, der laut Berichten von einem Tränengas-Kanister am Kopf getroffen worden war.

Den fünften Tag in Folge entflammten auch am Freitag an vielen Orten in der Stadt Proteste. Demonstranten blockierten dabei mehrere Straßen.

Die seit mehr als fünf Monaten anhaltenden Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungsregion richten sich gegen die Regierung: Die Demonstranten kritisieren unter anderem den wachsenden Einfluss Chinas auf die ehemalige britische Kronkolonie. Sie fordern freie Wahlen, eine unabhängige Untersuchung von Polizeibrutalität sowie Straffreiheit für die bereits weit mehr als 4000 Festgenommenen. Auch der Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam gehört zu ihren Forderungen.

China sichert sich mehr und mehr Einfluss

Seit der Rückgabe an China 1997 wird Hongkong nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" autonom regiert. Dies garantiert der Bevölkerung in Hongkong an und für sich auf 50 Jahre Freiheiten, die auf dem chinesischen Festland nicht gewährt werden. Die Demokratie-Bewegung wirft der Führung in Peking allerdings vor, die zugesicherten Grundrechte zunehmend einzuschränken.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping konterte dem am Donnerstag: Es seien die gewaltsamen Proteste, die eine Gefahr für das Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" seien. Die Gewalt stelle das Prinzip des Sonderstatus' "ernsthaft infrage", sagte Xi laut der staatlichen chinesischen "Volkszeitung" bei einem Gipfeltreffen in Brasilia. Die "gewaltsamen illegalen Aktivitäten" der Demonstranten hätten der "Rechtsstaatlichkeit und der gesellschaftlichen Ordnung" in Hongkong "schwer geschadet". Die vordringlichste Aufgabe sei nun, Gewalt und Chaos zu beenden und die Ordnung in Hongkong wieder herzustellen.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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