Russland

Putin und die findige Suchmaschine

Das Yandex-Headquarter in Moskau.
Das Yandex-Headquarter in Moskau.(c) REUTERS (Shamil Zhumatov)
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Der Kreml will mehr eigenen und weniger westlichen Einfluss auf russische Internetkonzerne. Das drückt ihren Börsenwert. Die smarte Yandex hat nun eine Lösung. Aktionäre jubeln.

Moskau/Wien. Je zukunftsträchtiger die Branche und je progressiver ihre einheimischen Privatkonzerne, umso hellhöriger der Kreml, könnte man sagen. Vor allem in den vergangenen paar Jahren zeigte sich mit zunehmender Tendenz, dass ihm ein zu starker ausländischer Einfluss ein Dorn im Auge ist und dafür mehr staatliche Beteiligung lieb wäre.

Allen voran bei der börsenotierten Internetsuchmaschine Yandex, die in Russland Marktführer vor Google ist und über diverse Gemeinschaftsunternehmen – so mit dem Fahrdienstleister Uber – in andere Segmente der Internet-Ökonomie expandiert. Weil ein großer Teil des Unternehmens von ausländischen Investoren gehalten wird, wurden die Politiker hier besonders aktiv. Ein Gesetzesantrag im vergangenen Jahr sah daher vor, den ausländischen Aktienanteil an strategischen Branchenunternehmen auf 20 Prozent zu beschränken. Mit dem Effekt, dass Yandex umgehend 1,5 Milliarden Dollar an Börsenwert verlor.

Die Wende

Nun freilich scheint eine Lösung gefunden zu sein. Wie Yandex am Montag mitteilte, werde es als Kompromiss seine Unternehmensstruktur insofern anpassen, als es eine sogenannte Public Interest Foundation (PIF) einrichtet. Und zwar in der russischen Offshore-Zone Kaliningrad (Königsberg), wo diese neue Form von nicht kommerzieller Organisation künftig öfter anzutreffen sein wird. Sinn der Sache: In die PIF wird auch die staatliche Schlüsselbeteiligung (Golden Share) an Yandex, bislang gehalten von der staatlichen Sberbank, übertragen. Die Stiftung, in deren Direktoriumsrat auch Vertreter russischer Top-Universitäten einziehen, wird keine wirtschaftlichen Rechte, nur gewisse Stimmrechte haben – unter anderem kann sie verhindern, dass mehr als zehn Prozent an wirtschaftlichem oder Stimmrechtsanteil in die Hand eines einzigen Investores geraten (bisher lag die Schwelle bei 25 Prozent).

Drei Gewinner

Die Aktie des russischen Vorzeigeunternehmens schoss gestern um über sieben Prozent nach oben. Gewiss, dazu trug auch bei, dass der Konzern einen Aktienrückkauf im Wert von 300 Millionen Dollar beschloss. Außerdem wurde von den Investoren goutiert, dass Firmengründer und -chef Arkadi Volosch, der 48,41 Prozent der Stimmrechte hält, die Behörden mit der Zusicherung beruhigte, 95 Prozent seiner Anteile zumindest bis 2022 zu behalten.

Der Kompromiss mit den Behörden sei für drei Seiten optimal, weil er die Führung des Unternehmens in den jetzigen Händen belasse, Vertrauen bei den internationalen Investoren schaffe und die Interessen des Landes schütze, schreibt Volosch in einem Brief an seine knapp 9000 Mitarbeiter.

Länderrisiko verringert

Auf dem Markt hofft man, dass damit der Behördendruck auf Yandex vom Tisch ist. Ohnehin gehört der politische Faktor zu jenen Länderrisken, die auch dafür verantwortlich sind, dass russische Aktien ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis haben, sprich im Vergleich zu Branchenunternehmen in anderen Ländern günstig bewertet sind.

Der heute 55-jährige Mathematiker und Programmierer Volosch hatte Yandex gemeinsam mit seinem inzwischen verstorbenen Schulkollegen Ilja Segalowitsch 1997 – acht Tage nach Google – auf den Markt gebracht. 2003 wollte Google Yandex kaufen. „Beinahe hätten wir uns ineinander verliebt“, sagte Segalowitsch später zu „Forbes“. Die Russen aber widerstanden – und sind bis heute Nummer eins im eigenen Land.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2019)

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