Die Ich-Pleite

Das Unterkleid ist „wieder da"

(c) Carolina Frank
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Ich finde das Unterkleid als Kleidungsstück ungefähr so sinnvoll wie den Furunkel als Körperteil.

Neulich hat mir eine bekannte Unterwäschefirma einen News­letter geschickt. Ich hatte ihn zwar abgemeldet, aber das scheint die Unterwäschefirma nur als Aufforderung zum Spielen betrachtet zu haben: Schauen wir, ob sie den Newsletter länger abmeldet, als wir ihn ihr wieder zuschicken. Im Moment steht es zehn zu neun für die Unterwäschefirma. Dadurch weiß ich, dass das Unterkleid „wieder da" ist. Mir geht es wahrscheinlich wie den meisten Konsumentinnen: Ich finde das Unterkleid als Kleidungsstück ungefähr so sinnvoll wie den Furunkel als Körperteil. Aber wenn wir nur das an unsere Körper heranließen, was sinnvoll wäre, müssten wir auch unsere Cellulite-Cremes wegwerfen. Das Unterkleid kenne ich aus Erzählungen meiner Mutter.

Nur dass sie „Unterrock" dazu sagte. Damals in den 60er-, 70er-Jahren hätte sich eine „anständige Frau" zu Tode geniert, wenn der Arzt auf die Aufforderung „Oberkörper frei machen" nicht zuerst auf den Unterrock gestoßen wäre. Und wenn nicht vom Arzt, wäre ein Fehlen des Unterrocks vom Röntgenblick der Nachbarin aufgedeckt worden. Und dann wäre es mit dem guten Ruf vorbei gewesen. Inzwischen dürfte sich das Sexiness-Vorzeichen aber geändert haben. Denn der Newsletter der Unterwäschefirma verspricht mithilfe des Unterkleids sexy Winternächte. Aber ich bin skeptisch. Denn als wir vor ein paar Jahren das Unterkleid noch auf der Straße trugen, sind meine Sommernächte auch nicht sexier geworden. Das liegt aber vielleicht daran, dass der Großteil aller sexuellen Handlungen in fixen Partnerschaften stattfindet. Allerdings ist die Hälfte der Paare mit dem Ergebnis unzufrieden. Ich weiß nicht, welche Hälfte. Vielleicht sollte man dem Unterkleid doch eine Chance geben.

("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 22.11.2019)

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