Es gibt erste Annäherungen, aber auch noch große Hürden auf dem Weg zu Türkis-Grün. „Jetzt kommen die Wochen der Entscheidung“, sagt ÖVP-Chef Sebastian Kurz.
Wien. Wird es noch vor Weihnachten eine neue Regierung geben? Eher nicht. Die erste Runde der türkis-grünen Koalitionsgespräche ist abgeschlossen – und jetzt deutet alles auf zähe Verhandlungen hin. Schon das Setting am Montag ist bezeichnend: Wer einen gemeinsamen Auftritt erwartet hatte, wurde enttäuscht. ÖVP-Chef Sebastian Kurz und der grüne Bundessprecher, Werner Kogler, treten getrennt voneinander im Kreis ihres Teams vor die Medien.
Noch immer richtet man sich Freundlichkeiten aus: Es gebe gute Verhandlungen und ein gutes Einvernehmen. In einigen Bereichen gebe es Übereinstimmung, aber in vielen Themenfeldern sei man weit auseinander, sagt Kurz. Etwas blumiger formuliert es Kogler: Man habe schon einige Brücken gebaut, aber es lägen noch große Brocken im Weg. Nun gehe es darum „aus den Brocken Brücken zu machen“. Das kann dauern. „Das letzte Mal haben wir sehr zügig verhandelt“, sagt Kurz mit Hinweis auf seine Koalition mit der FPÖ, bei der inhaltlich keine großen Hürden zu überwinden waren. Trotzdem haben die Verhandlungen 2017 zwei Monate gedauert. Mit den Grünen hält man jetzt gerade einmal bei zwei Wochen.
Farbleitsystem
Vorige Woche hat ein erstes Abtasten in den 33 Fachgruppen stattgefunden, dort wurde erstmals versucht, in einzelnen Themenbereichen Einigungen zu erzielen. Weiß – Gelb – Rot lautete das Farbenleitsystem bei den internen Papieren: Niedergeschrieben wurde, wo es bereits Einigkeit gibt, gelb angezeichnet, wo noch Kompromisse gesucht werden mussten, rot, wo man sehr weit voneinander entfernt war.
Was genau herausgekommen ist, wollten die Chefverhandler am Montag nicht verraten. Man habe Stillschweigen vereinbart. „Beim Sport erzielt man leichter eine Einigung als anderswo“, bleibt Kurz kryptisch. Und Kogler spricht von zwei, drei ganz großen Brocken, die noch im Weg liegen. Und etlichen mittleren. Einen ersten größeren Konflikt dürfte es zuletzt beim Thema Mindestsicherung gegeben haben: Hier sei der Ton in den Verhandlungen dem Vernehmen nach zum ersten Mal etwas rauer geworden. Auch bei den Plänen zum Mietrecht – genau genommen bei den Vorstellungen der Grünen zu einer Regulierung – soll es sich spießen.
Knackpunkt Ökosteuern
Was sind daneben die großen Brocken? Zu hören ist, dass auch beim Thema Klimaschutz und Steuern schwierig wird. Eine von den Grünen gewünschte Besteuerung von CO2-Emissionen stößt bei der ÖVP auf wenig Begeisterung, die bei ihrer Linie bleiben will, keine neuen Steuern einzuführen. Jetzt wird in unterschiedlichsten Konstellationen intensiv weiter verhandelt. Die Parteichefs treffen treffen sich das nächste Mal am Mittwoch, auch in den sechs Untergruppen und in den 33 Fachgruppen gibt es fortlaufend Gespräche. „Die nächsten Wochen sind die entscheidende Phase“, sagt ÖVP-Chef Kurz: „Es sind die Wochen der Entscheidung.“ Das sieht Kogler nicht ganz so: Die entscheidende Phase sei dann, wenn tatsächlich die wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Das könne auch in einer späteren Phase der Verhandlungen so sein. Einig ist man sich aber, dass Qualität vor Geschwindigkeit gehe.
SPÖ und FPÖ bleiben im Spiel
Und welchen Einfluss haben die parteiinternen Turbulenzen in SPÖ und FPÖ? Eigentlich keine, wenn es nach den Aussagen von Kurz geht. Denn mit beiden Parteien sei weiterhin eine Koalition möglich – auch wenn man jetzt exklusiv mit den Grünen verhandle. Aber das ist wenig erstaunlich: Wer gibt im Poker schon freiwillig eine gute Karte aus der Hand?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2019)