Provozieren – mit Asche aus dem KZ?

People walk past a temporary memorial, a column dedicated to the victims of the Holocaust, set up by activists of the 'Zentrum fuer politische Schoenheit' (Center for Political Beauty) in Berlin
People walk past a temporary memorial, a column dedicated to the victims of the Holocaust, set up by activists of the 'Zentrum fuer politische Schoenheit' (Center for Political Beauty) in BerlinREUTERS
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Das sonst so ungenierte Zentrum für Politische Schönheit hat zum ersten Mal um Entschuldigung gebeten.

Drastische Aktionen hat die deutsche Aktionskünstler-Gruppe, die sich Zentrum für Politische Schönheit nennt, in den vergangenen Jahren geliefert: Etwa als sie in der Aktion „Flüchtlinge fressen – Not und Spiele“ eine Arena mit vier Tigern in Berlin errichtete. Davor hatte sie für die Aktion „Die Toten kommen“ mit dem Einverständnis von Angehörigen tote Flüchtlinge an europäischen Außengrenzen exhumiert und in Berlin begraben.

Doch wie man nun sieht, stößt das Programm des Zentrums, zu politischen oder gesellschaftlichen Zwecken ungeniert zu provozieren, an seine Grenzen, wenn es um jüdische Opfer des Holocaust geht. Zum ersten Mal nämlich hat die Künstlergruppe für eine Aktion um Entschuldigung gebeten: Und zwar dafür, am Montag gegenüber dem Berliner Reichstag eine angeblich mit Asche von Holocaust-Opfern gefüllte „Widerstandssäule“ aufgestellt zu haben. Diese sollte an das 1933 beschlossene „Ermächtigungsgesetz“ erinnern, das den Nationalsozialisten den Weg in die Diktatur eröffnete. Doch jüdische Organisationen wie die Jewish Claims Conference kritisierten die Aktion als pietätlos und als Störung der Totenruhe.

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Das Zentrum bekennt nun auf seiner Website „Fehler“ ein. Zwar hätten sich auch Angehörige von Holocaust-Opfern gemeldet, die ihre Aktion begrüßten, „aber unser Ziel war nie, Konflikte zwischen Menschen, die auf derselben Seite kämpfen, zu befeuern“. Als erste Konsequenz werde man nun „das Kernstück der Säule“ verhüllen. Zur Forderung nach sofortigem Abbau schreibt die Gruppe allerdings: „Wir fragen: wohin? Wo soll der Inhalt denn hin? Zurück in den Wald, in das Versteck, das deutsche Nazischergen vor 75 Jahren ausgewählt haben? Auf einen jüdischen Friedhof, vielleicht in Berlin? Verbrannte Überreste von Menschen? Religion unbekannt? Wo auf dieser Erde können diese Menschen ihre letzte Ruhe finden?“ Schon die erste Installation der Gruppe nach ihrer Gründung 2009 hatte Auschwitz zum Thema gehabt. Ebenfalls vor dem Reichstag in Berlin hatte das Zentrum Bomben-Attrappen („Lethe-Bomben“) aufgestellt. Sie sollten daran erinnern, dass die Alliierten nie die Krematorien in Auschwitz bombardiert hatten. (sim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2019)

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