Ein Musterbeispiel für die Neugestaltung einer Flusslandschaft: LIFE+ Traisen, Österreichs größtes Renaturierungs-Projekt.
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Das Wandern ist des Fisches Lust

Wie Wasserkraft und Umwelt dank moderner Technik in harmonischen Einklang gebracht werden, zeigt ein Blick auf Renaturierungs-Projekte von Verbund.

Idyllisch mäandert der bis zu zehn Meter breite Bach durch die Landschaft des linken Donauufers und bahnt sich hauptsächlich durch Waldabschnitte seinen Weg, um nach rund 4,5 Kilometern wieder in der Donau zu münden. Geschaffen wurde er als Wanderhilfe für Fische, die den rauschenden, verwirbelten Flussabschnitt nahe dem Donaukraftwerk Greifenstein nunmehr in aller Ruhe umschwimmen können. Die notwendige Länge des flach ansteigenden Umgehungsbaches erklärt sich aus den 14,5 Metern Höhendifferenz zwischen dem Wasserniveau stromauf und jenem stromab des Kraftwerks, die es zu überbrücken galt.

Fish'n'Chips

Zwei Jahre lang dauerten die aufwendigen Bauarbeiten an diesem von Verbund finanzierten und im Vorjahr finalisierten Projekt. Der Erfolg stellte sich unmittelbar ein. Alleine in den ersten zwei Monaten nutzten rund 1500 Fische und 40 verschiedene Arten die mit Buchten, Kieszonen, Holzteilen und Steinen ausgestattete Passage, darunter typische Flussfische der Donau wie Nasen und Barben, aber auch selten gewordene Arten wie Frauennerfling, Schied, Zingel, Schrätzer, Streber oder Huchen.

Den Größenrekord stellte nach wenigen Wochen ein 1,25 Meter langer Wels auf. Dass man dies so genau weiß, liegt an einem ausgeklügelten Monitoring-System. So passiert jeder Fisch, der den Bach durchschwimmt, eine mobile Reuse. Bei der Prüf- und Messstation werden die Fische nicht nur täglich gezählt, sondern – ab einer Größe von zehn Zentimeter - von Biologen auch mit elektronischen Chips markiert. Dank der Implantate können Forscher online die Wanderbewegungen der Fische studieren. Die gewonnenen Daten sind eine Fundgrube für softwaregestützte Untersuchung für die universitäre Forschung. Der Verbesserung der gefährdeten Fischbestände dient die Schaffung hochwertiger Biotope wie jenes in Greifenstein, das im Europaschutzgebiet Tullnerfelder Donauauen, dem größten zusammenhängenden Augebiet Österreichs, liegt und zugleich Lebensraum für Insekten und Vögel bietet.

Wasserkraft und Umwelt

Die Fischwanderhilfe Greifenstein ist eines der jüngsten Öko-Vorzeigeprojekte von Verbund (gefördert aus Mitteln des EU LIFE Programms und mit Unterstützung durch das Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, den NÖ Landesfischereiverband sowie das Land Niederösterreich). Sie ist Teil des LIFE+ Projekts „Netzwerk Donau“, das vom Energiekonzern 2011 mit dem Ziel gestartet wurde, rund um den Strom aus Wasserkraft zusätzlichen Mehrwert für die Natur zu schaffen. Bis 2028 sind Investitionen von mehr als 280 Millionen Euro budgetiert, um Renaturierungs-Projekte zu realisieren und zu vernetzen, Lebensräume entlang der Donau neu zu schaffen und so die Artenvielfalt zu Wasser, zu Lande und in der Luft zu fördern.

»Bei der Prüf- und Messstation werden die Fische nicht nur täglich gezählt, sondern – ab einer Größe von zehn Zentimeter - von Biologen auch mit elektronischen Chips markiert. Dank der Implantate können Forscher online die Wanderbewegungen der Fische studieren.«

Im Zentrum stehen Fischwanderhilfen (mittlerweile 53 in ganz Österreich), die den Fokus auf die Kombination von Passierbarkeit der Kraftwerke und Schaffung von zusätzlichen Rückzugs-, Laich- und Lebensräumen für Lebewesen am Wasser legen. „Wir wenden hier die Erfahrungen aus anderen Projekten an. Der Erfolg unserer Gesamtmaßnahmen ist bereits messbar“, sagt dazu Projektleiter David Oberlerchner und betont, dass bei allen Projekten die Interessen der Anrainer und Grundbesitzer gewahrt werden und der bisherige Hochwasserschutz beibehalten bleibt.

Landschaft und Gestaltung

Dass die Barrierefreiheit der Kraftwerke lediglich das Pflichtprogramm der EU-Wasserrahmen-Richtlinie darstellt und man sich bei Verbund weitreichendere Ziele gesetzt hat, zeigt beispielhaft Österreichs bis dato größtes Renaturierungs-Projekt LIFE+ Traisen. So wurde beim Donaukraftwerk Altenwörth die Traisen, einer der größten Flüsse Niederösterreichs, um 7,5 Kilometer verlängert und im Mündungsgebiet flussab des Kraftwerks eine neue Au geschaffen. Millionen Kubikmeter Schotter und Erdreich galt es in zehn Jahren Bauarbeiten zu bewegen, um eine lebendige Flusslandschaft zwischen Donau und Traisen zu gestalten. Bei der Umsetzung blieb nicht dem Zufall überlassen. Präzise vom GPS geleitet, lagerten die Bagger Schotter und erdreich nach den Plänen der Ökologen um.

Die Bagger haben mittlerweile Libellen, Fischen und seltenen Vogelarten - sogar der Seeadler hat hier wieder Revier bezogen - Platz gemacht und die Mündung der Traisen hat sich zu einem beliebten Naherholungsgebiet entfaltet, an dem der Donau-Radweg entlang führt und den Reisenden den Blick auf eine Landschaft mit Raubäumen, Steilufern und Flachwasserzonen frei gibt. Im Bereich „Fischökologischer Zustand“ wurde die Traisen von einem Expertenteam von „unbefriedigend“ auf „gut“ umbewertet. Eine weitere Verbesserung steht nach Realisierung des nächsten Projektes in Aussicht. Geplant ist in Altenwörth Niederösterreichs längste Fischwanderhilfe. „Der naturnahe Umgehungsbach auf der linken Uferseite der Donau soll mehr als zwölf Kilometer lang sein und sich bis nach Stockerau erstrecken. Mit Kiesaufschüttungen wird das Ufer im Altarm fischfreundlicher gestaltet. Gleichzeitig erlauben flache Stellen den Badegästen einen bequemeren Zugang zum Wasser und verbessern die Badequalität“, erzählt Projektleiter Hannes Einfalt.

Rekordhöhe und Videoanalyse

Superlative gibt es auch von der Drau zu vermelden. Seit der feierlichen Inbetriebnahme der Fischwanderhilfe beim Verbund-Kraftwerk Edling (2019, nach einjähriger Bauzeit) können Fische auf ihrem neuen Weg in den Völkermarkter Stausee das Drau-Kraftwerk passieren und dabei einen Höhenunterschied von mehr als 22 Meter bewältigen: ein Kärntner Rekord. „Um den enormen Höhenunterschied abzubauen, mussten zwischen dem Einstiegs- und Ausstiegsbauwerk 148 einzelne Standardbecken, 24 Ruhepools sowie ein Verteilbauwerk mit elf Ausstiegsöffnungen errichtet werden. Dabei wird pro Becken eine Wasserspiegeldifferenz von 15 Zentimetern überwunden“, erläutert Verbund-Projektleiterin Sabine Käfer die Konstruktion, für die aus dem Völkermarkter Stausee in jeder Sekunde etwa 450 Liter Wasser in das Verteilbauwerk strömen.

»In Entwicklung ist zudem eine Software-Lösung, die die Videos intelligent analysiert und Datenmaterial für die Fischforschung und das Design künftiger Fischwanderhilfe schafft. «

Das technologische Herz der neuen Fischwanderhilfe ist eine Fischkamera, die im Rahmen eines Monitoring-Programms der wissenschaftlichen Dokumentation dient und mit der bereits in anderen Verbund-Kraftwerken gute Erfahrungen gemacht wurden. Fische müssen damit nicht mehr gefangen, einzeln gemessen und registriert werden, was den Fischen Stress und den Ökologen Arbeit erspart. In Entwicklung ist zudem eine Software-Lösung, die die Videos intelligent analysiert und Datenmaterial für die Fischforschung und das Design künftiger Fischwanderhilfe schafft. Mit der Eröffnung der Fischwanderhilfe Edling sind nun sieben der zehn Drau-Kraftwerke für Fische barrierefrei, die Nachrüstung der drei Restlichen soll in den nächsten Jahren erfolgen.

Daten werden auch in Greifenstein weiterhin eifrig gesammelt. Rund eineinhalb Jahr nach Eröffnung der Wanderhilfe kann sich die Bilanz sehen lassen: 10.000 Fische wurden mittlerweile vom Team der Firma Profisch mittels Chip markiert und 46 von 52 Donau-Fischarten nachgewiesen. Besondere Freude haben die Ökologen damit, dass viele Fische länger als einen Monat im Umgehungsbach des Kraftwerks bleiben, was als Beleg zu werten ist, dass der Lebensraum angenommen wird. Entlang des Baches hat sich mittlerweile auch der Pflanzenbewuchs erholt. Der ökologisch wertvolle Waldsaum soll naturbelassen bleiben.

In Kürze

280 Millionen Euro investiert Verbund bis 2028 in umfassende Renaturierungs-Maßnahmen im Umfeld seiner Wasserkraftwerke.

53 Fischwanderhilfen wurden in den letzten Jahren errichtet.

30 Prozent der Anlageflächen der Verbund-Kraftwerke wurden nachträglich unter Naturschutz gestellt.

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