„An grünem Wasserstoff fasziniert mich die Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten dieses sauberen Energieträgers“, sagt Rudolf Zauner, Verantwortlicher der neuen Programmlinie Wasserstoff im Energiekonzern Verbund.
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Wasserstoff wird grün

CO₂-neutral hergestellter Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen gilt als Hoffnungsträger für die Energiewende. Konkrete Projekte zeigen, welches Potential in dem „Multitalent“ steckt, das als Industrierohstoff, Energieträger oder Speichermedium das Energiesystem bereichert.

Es ist das mit Abstand leichteste und zugleich häufigste Element des Universums. Welche Urkraft darin steckt, zeigt sich etwa, wenn es mit Sauerstoff verbrannt als Antriebsenergie für den Schub von Raketen dient. Die Rede ist von Wasserstoff, 1766 von einem englischen Gelehrten entdeckt, seit 1814 mit dem Elementsymbol H versehen. Sein Einsatz als Raketentreibstoff ist spektakulär, aber bezüglich Verwendungszweck doch nur eine 1-prozentige Randnotiz. Rund 99 Prozent des jährlich hergestellten Wasserstoffs (weltweit 600 Milliarden Kubikmeter, was vergleichsweise dem 12-fachen Rauminhalt des Bodensees entspricht) wird in der Industrie verbraucht, insbesondere von der Düngemittel- sowie der chemischen und petrochemischen Industrie.

Von grau zu grün

Nachdem Wasserstoff keine Energiequelle ist, muss Energie zugeführt werden, um ihn zu erzeugen. Die Herstellung im industriellen Maßstab geschieht hauptsächlich per Dampfreformierung aus Erdgas, in geringerem Ausmaß aus Quellen wie Benzin, Kohle oder Methanol. Rund 96 Prozent des Wasserstoffs werden auf fossiler Basis produziert. Das gemeinsame Problem sämtlicher Reformierungsverfahren: Als Nebenprodukte entstehen u. a. Kohlendioxid, Stickoxide und Schwefeldioxid, die klimaschädlich in die Atmosphäre entweichen.

Die Bezeichnung „grauer Wasserstoff“ steht für die nicht CO₂ -neutrale Herstellung. Alternativ dazu lässt sich Wasserstoff mit Strom erzeugen, der beim Verfahren der Elektrolyse Wasser in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Stammt der dafür eingesetzte Strom aus erneuerbaren Energiequellen, ist die Rede von „grünem Wasserstoff“ - was somit auch „farblich“ ins Bild der weltweit anvisierten Energiewende passen würde.

Von Strom zu Gas zu Strom

„Ob als Rohstoff, Energieträger oder Speichermedium – grüner Wasserstoff hat ein enormes Potential, um zur Dekarbonisierung von energieintensiven Prozessen beizutragen“, sagt Rudolf Zauner, Verantwortlicher der neuen Programmlinie Wasserstoff im Energiekonzern Verbund. So kann der CO₂ -neutrale Wasserstoff entweder direkt als hochwertiger Rohstoff in der Industrie verwendet oder aber auch gespeichert werden.

»Die Bezeichnung „grauer Wasserstoff“ steht für die nicht CO₂ -neutrale Herstellung. Alternativ dazu lässt sich Wasserstoff mit Strom erzeugen, der beim Verfahren der Elektrolyse Wasser in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.«

Die Speicherung in Reinform soll in Zukunft in unterirdischen Kavernen erfolgen. Wasserstoff lässt sich auch ins Gasnetz einspeisen, entweder direkt oder als synthetisches Methan. Der große Vorteil: Das Gasnetz existiert bereits, bietet ein riesiges Speichervolumen und ermöglicht eine praktisch unbegrenzte Speicherdauer. Die im grünen Wasserstoff gespeicherte Energie (bei der Elektrolyse wird elektrische in chemische Energie gewandelt) kann bei Bedarf wieder in Strom umgewandelt werden.

Was nach ferner Zukunftsvision klingt, ist bereits in konkreter Planung, wie beispielhaft ein Projekt zweier Energiekonsortien aus Deutschland zeigt. Das Konzept: Überschussstrom aus Windkraftanlagen wird zur Produktion von Wasserstoff verwendet und im Erdgasleitungsnetz gespeichert. Die dazu notwendigen Anlagen sollen in Niedersachsen an küstennahen Standorten, an denen große Mengen an Strom aus Offshore-Windparks ankommen und Erdgasleitungen in Reichweite sind, errichtet werden und 2023 in Betrieb gehen. Das Erdgas-Wasserstoff-Gemisch aus dem Norden des Landes soll so Richtung Süden fließen und überall in Deutschland entnommen werden können - um in Erdgaskraftwerken Strom zu erzeugen, wenn sich Wind und Sonne gerade eine Pause gönnen.

Von Stahlerzeugung bis Kraftwerksbetrieb

„Speziell bei Verbund, der 95 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen und da insbesondere aus Wasserkraft erzeugt, bietet grüner Wasserstoff ein viel versprechendes Geschäftsfeld“, weiß Rudolf Zauner, dessen Aufgabe es u.a. ist, die Projekte des Energiekonzerns zu grünem Wasserstoff zu koordinieren. Bereits 2017 wurde das EU-geförderte Vorhaben H2FUTURE mit der voestalpine und vier weiteren Partnern ins Leben gerufen. „Die voestalpine will Wasserstoff verwenden, um beim Herstellungsprozess von Eisen und anschließend Stahl Koks und Kohle zu ersetzen“, erklärt Zauner. Die errichtete großtechnische Elektrolyseanlage zur Produktion des grünen Wasserstoffs ging im Oktober erfolgreich in Betrieb.

Grünen Wasserstoff zu erzeugen ist ebenfalls das erklärte Ziel bei einer Kooperation mit den Zillertaler Verkehrsbetrieben. Verwendung wird er als Treibstoff für die Zillertalbahn finden, die so zur ersten wasserstoffbetriebenen Schmalspurbahn der Welt avanciert. Den grünen Strom liefern die nahegelegenen Verbund-Wasserkraftwerke. Ab Winterfahrplan 2022 sollen durch die Umstellung der 32 Kilometer langen Bahnstrecke von Diesel auf Wasserstoff jährlich rund 800.000 Liter Diesel ersetzt und damit 2160 Tonnen CO₂ eingespart werden.

Noch weit höher wird langfristig betrachtet der positive Klimaeffekt wohl ausfallen, wenn im steirischen Mellach die aktuellen Tests des FFG-geförderten Forschungsprojekts Hotflex (Kooperation von Verbund, TU Graz und dem deutschen Cleantech-Spezialisten Sunfire) erfolgreich verlaufen. Im leistungsstärksten Kraftwerk Österreichs könnte künftig klimaneutral produzierter Wasserstoff fossiles Erdgas ersetzen, um die Turbinen anzutreiben. Errichtet wird dazu eine Pilotanlage, die zum einen überschüssigen Wind- und Sonnenstrom aus dem Netz entnimmt und mittels Elektrolyse in Wasserstoff umwandelt, die zum anderen aber auch als Brennstoffzelle betrieben werden kann und so aus Gas Strom und Wärme produziert. Der Brennstoffzellen-Betriebsmodus wird vor allem im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Eigenstrom- oder Notstromversorgung von Kraftwerks- und Industrieanlagen getestet.

Universaler Energieträger als Bindeglied

„Unsere Projekte sind beste Beispiele für die Vernetzung von Strom aus erneuerbaren Quellen, Wärme, Verkehr sowie industriellen Prozessen und deren Infrastrukturen“, so Zauner in Anspielung auf die Sektorkoppelung und Sektorintegration, die bei der Energiewende eine zentrale Rolle spielen sollen. Beim Ziel, fossile Energieträger nach und nach durch erneuerbare Energien zu ersetzen und für eine dringend notwendige Flexibilisierung der Energienutzung zu sorgen, könnte grüner Wasserstoff im Fokus stehen. Dass es dafür noch Zeit und Grundbedingungen braucht, ist Zauner klar: „Es benötigt zum Beispiel einen regulatorischen Rahmen seitens der Politik. Bausteine dafür könnten eine verpflichtende Grüngasquote, ein Zertifikatesystem und eine Begünstigung in Sachen Steuern und Abgaben sowie ein Level Playing Field sein, sprich ein Konzept für Fairness, bei dem alle nach denselben Regeln spielen.“

Bei der Entwicklung einer Österreichischen Wasserstoffstrategie, die den optimalen Hochlauf für grünen Wasserstoff bis 2030 skizziert und deren Ergebnisse in den Nationalen Energie- und Klimaplan einfließen werden, ist Zauner involviert. Am künftigen Siegeszug von grünem Wasserstoff zu einem universellen Energieträger für die Energiewirtschaft hat er schon seit langem keine Zweifel. „Ich kam 2007 zu Verbund, um die Betriebsführung für Wind und Photovoltaik aufzubauen. Beim Vorstellungsgespräch wurde ich gefragt, wohin die Energiereise gehen werde. Meine Antwort war: Wasserstoff.“

In Kürze

H2FUTURE: Die Verbund-Pilotanlage am Standort der Voestalpine in Linz produziert mit einer Anschlussleistung von sechs Megawatt 1200 m³ grüner Wasserstoff pro Stunde. Bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff wird ein Wirkungsgrad von 80 Prozent erreicht.

H2 Zillertal: In Tirol wird ab 2023 die erste Wasserstoff-angetriebene Schmalspurbahn in Österreich pro Tag 600 Kilogramm Wasserstoff nutzen, der im Zillertaler Verbund-Kraftwerk hergestellt und im Endbahnhof Mayrhofen in Tankstellen bereitgestellt werden wird. 

Hotflex: Mit einer 150-Kilowatt-Pilotanlage für Hochtemperaturelektrolyse und Brennstoffzellenbetrieb wird in Mellach, Steiermark, der Einsatz von Wasserstoff im Gaskraftwerksbetrieb erforscht.

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